„Das Thema Vorsorge geht jeden etwas an – und zwar jetzt! Unsere Lebenserwartung ist in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen. Viele Menschen erfreuen sich zum Glück auch im hohen Alter noch bester Gesundheit und können ihr Leben aktiv gestalten. Dennoch kann sehr plötzlich der Zeitpunkt kommen, in dem ein Mensch nicht mehr zur Regelung seiner eigenen Angelegenheiten fähig ist. Dann ist es gut, wenn Vorsorge getroffen wurde,“ warb Baden-Württembergs Justizminister Prof. Dr. Ulrich Goll (FDP) anlässlich des „Weltseniorentages“ am Montag (1. Oktober) im Phillip-Paulus-Heim in Fellbach für das rechtzeitige Erstellen einer Betreuungsverfügung, Vorsorgevollmacht oder Patientenverfügung.„Wir haben es in der Hand, wesentliche Entscheidungen über das eigene Leben für einen Zeitpunkt zu treffen, in dem wir selbst nicht mehr entscheidungsfähig sind. Dies ist echte Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts“, machte Goll den Sinn der Vorsorge deutlich. Dies sei auch keine Frage des Alters. Häufig hinderten zwar altersbedingte Erscheinungen wie die Demenz einen Menschen daran, vorausschauende Entscheidungen im eigenen Interesse zu treffen. Psychische Krankheiten oder schwere Unfälle könnten aber auch junge Menschen treffen, mahnte der Minister.„Leider befinden sich viele Menschen in einem grundlegenden Irrtum. Der Ehegatte oder die Kinder sind dann nicht, wie viele meinen, automatisch zur gesetzlichen Vertretung berechtigt“, stellte Goll klar. Dieses Recht hätten nur Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern. Bei Volljährigen bedürfe es dagegen einer gerichtlichen Entscheidung (Bestellung eines Betreuers) oder einer ausdrücklichen rechtsgeschäftlichen Erklärung (Vorsorgevollmacht).
Betreuungsverfügung
Mit einer Betreuungsverfügung lässt sich Einfluss auf das Verfahren über die Bestellung des Betreuers und dessen Wirken nehmen. Die Betreuungsverfügung ist keine Vollmacht, sondern ein Dokument, in dem jeder seine Wünsche für eine notwendig werdende spätere rechtliche Betreuung festhalten kann. So kann darin bestimmt werden, wer Betreuer werden soll und – oft ebenso wichtig – wer nicht. Es kann bestimmt werden, welche Wünsche und Gewohnheiten der künftige Betreuer respektieren soll, vorausgesetzt die eigenen Finanzen lassen das zu. Der Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt. Will man im Pflegefall zuhause oder in einem Altenheim versorgt werden; welches Heim wird bevorzugt; will man seinen Geburtstag weiterhin zusammen mit Freunden und Verwandten in einem guten Restaurant feiern? Eine Betreuungsverfügung hat das Gericht im Regelfall zu berücksichtigen. Der Betreuer ist gesetzlicher Vertreter des Betreuten. In seinem Aufgabengebiet kann der Betreuer wirksame Entscheidungen für den Betreuten treffen. Der Betreute bleibt dabei grundsätzlich geschäftsfähig, es sei denn, die Geschäftsunfähigkeit resultiert direkt aus dem jeweiligen Krankheitsbild. Ein Widerruf der Betreuungsverfügung ist jederzeit möglich. Auch kann eine neue Betreuungsverfügung verfasst und die alte vernichtet werden.
Vorsorgevollmacht
Das wichtigste Instrument zur Wahrung der Selbstbestimmung ist die Vorsorgevollmacht. Eine Vorsorgevollmacht verleiht einer anderen Person die rechtliche Möglichkeit, den Vollmachtgeber im Rechtsverkehr zu vertreten. Der wesentliche Vorteil einer Vorsorgevollmacht liegt darin, dass sie ein Betreuungsverfahren in der Regel entbehrlich macht. Denn eine Betreuung ist nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können. Als Vorsorgebevollmächtigter kommt jede volljährige Person des Vertrauens in Betracht. Da mit einer Vorsorgevollmacht sehr weitreichende Befugnisse verliehen werden, ist die wichtigste Voraussetzung Vertrauen zu der Person, die womöglich bis zum Lebensende mit der Vollmacht ausgestattet sein soll. Die Vollmacht kann deshalb auch so erteilt werden, dass mehrere Bevollmächtigte nur gemeinsam vertreten können. Auch die Mitarbeiter eines Seniorenheims oder einer sonstigen Einrichtung können bevollmächtigt werden. Jedoch macht ihre Bevollmächtigung eine Betreuerbestellung nicht überflüssig. Eine Vorsorgevollmacht unterscheidet sich nicht grundlegend von jeder anderen Vollmacht. Ihr wesentliches Erkennungsmerkmal ist jedoch, dass sie nur für den Fall der Vorsorge abgegeben wird, also für den Fall der eigenen Handlungsunfähigkeit. Mit einer Vorsorgevollmacht reduziert man die staatliche Einmischung in privaten Angelegenheiten. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens ist, anders als im Betreuungsfall, nicht erforderlich. Auch muss der Bevollmächtigte dem Vormundschaftsgericht nicht über seine Arbeit und die persönlichen und finanziellen Verhältnisse des Vollmachtgebers berichten. Häufig wird eine Vorsorgevollmacht in der Form einer Generalvollmacht erteilt. Standardmäßige Formulierung ist dabei, dass die Vollmacht „zur Vertretung in allen Angelegenheiten“ ermächtigen soll. Eine solche Formulierung ist aber teilweise lückenhaft. Bei einigen, besonders wichtigen Angelegenheiten verlangt das Gesetz, dass diese ausdrücklich in einer Vollmacht aufgeführt werden. Dies gilt zum Beispiel für die Einwilligung in eine ärztliche Maßnahme, wenn die begründete Gefahr besteht, dass der Vollmachtgeber aufgrund der Maßnahme stirbt oder einen schweren und länger andauernden gesundheitlichen Schaden erleidet. Auch die Ermächtigung, in eine geschlossene Unterbringung oder in andere freiheitsbeschränkende Maßnahmen (wie etwa ein Bettgitter) einzuwilligen, muss ausdrücklich in der Vollmacht genannt werden. Aus diesen Gründen ist es ratsam, eine Vorsorgevollmacht zu konkretisieren. Es bietet sich an, den Bevollmächtigten zur Vertretung in allen Angelegenheiten zu ermächtigen und dies unter Verwendung des Wortes „insbesondere“ näher zu erläutern. Diese Aufzählung muss nicht vollständig sein. Sie sollte aber die vorgenannten Aspekte ausdrücklich enthalten.
Für die Verwendung bei Banken und Sparkassen wird ein eigenständiges Formular empfohlen, das auch in der Broschüre enthalten ist. Zu Nachweiszwecken empfiehlt sich die schriftliche Abfassung der Vollmacht. Der Gang zum Notar ist nicht zwingend, aber durchaus sinnvoll.
Zentrales Vorsorgeregister
Das Zentrale Vorsorgeregister wird von der Bundesnotarkammer in Berlin geführt. Es handelt sich um ein elektronisches Register, in das jeder für 18,50 Euro Vorsorgevollmachten eintragen lassen kann. Mit der Eintragung ist keine eigenständige Vollmachtserteilung verbunden. Das Vorsorgeregister erhält lediglich Angaben über die bereits erteilte Vollmacht. Die Wirksamkeit oder den Inhalt einer Vorsorgevollmacht überprüft das Vorsorgeregister nicht. Es wird dort auch keine Abschrift der Vollmacht hinterlegt. Der Vorteil des Zentralen Vorsorgeregisters ist seine zentrale elektronische Abrufbarkeit. Wird bei einem Vormundschaftsgericht ein Betreuungsverfahren anhängig, prüft dieses in der Regel über einen Onlinezugriff, ob die betreffende Person eine Vorsorgevollmacht errichtet hat und wo sie sich befindet.
Patientenverfügung
Die Patientenverfügung betrifft nicht den rechtlichen sondern den medizinischen Bereich. Mit ihr wird Einfluss auf die ärztliche Behandlung zu einem späteren Zeitpunkt genommen, in dem keine eigenen Entscheidungen mehr getroffen werden kann. Sie stellt Richtlinien für die behandelnden Ärzte und das Behandlungsteam auf. Sie kann auch persönliche Wertvorstellungen, die Haltung zum eigenen Leben und Sterben sowie religiöse Anschauungen als Auslegungshilfe enthalten. Dem Deutsche Bundestag liegen derzeit drei Gesetzentwürfe vor, die voraussichtlich im Herbst dieses Jahres weiter beraten werden. Gemeinsames Ziel dieser Gesetzentwürfe ist es, bestehende rechtliche Unsicherheiten bei der Anwendung einer Patientenverfügung zu beseitigen. Die drei Gesetzentwürfe unterscheiden sich erheblich voneinander. Eine wesentliche Streitfrage ist, wie mit Wünschen in einer Patientenverfügung umgegangen werden soll, die den Abbruch oder die Nichtvornahme einer lebenserhaltenden Behandlung verfügen. Die Umsetzung solcher Wünsche führt mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Tod des Patienten. Diskutiert wird deshalb eine sogenannte Reichweitenbeschränkung. Eine Patientenverfügung solle nur dann verbindlich sein, wenn ärztlich festgestellt ist, dass die bestehende Krankheit des Patienten unumkehrbar zum Tode führen wird. „Ich halte das nicht für richtig“, sagte Goll. Die Reichweite der Patientenverfügung zu beschränken, bedeute nichts anderes als Fremdbestimmung und sei damit eine Pflicht zum Weiterleben. „Manche Patienten lehnen lebensverlängernde Maßnahmen ab und wollen in ihrem gewohnten Umfeld in Würde sterben. Nicht jeder Patient will jede Behandlung, die medizinisch möglich ist, auch für sich selbst in Anspruch nehmen. Dieser Wunsch sollte in jedem Fall respektiert werden, auch wenn sich ein Mensch in der aktuellen Situation nicht mehr äußern kann“ so Goll.