Im Januar 1992 wurde mit dem neuen Betreuungsgesetz das bisherige Entmüdigungsrecht abgelöst. Nach fast 30 Jahren wurde das Betreuungsgesetz umfangreich reformiert und im März 2021 novelliert, es trat am 1. Januar 2023 in Kraft.
Leider ist es immer noch so, dass dieses wichtige Gesetz weitgehend unbekannt ist. Zu den Auswirkungen des Gesetzes in der Rechtspraxis und die Gestaltungsmöglichkeiten für Privatpersonen im Rahmen einer Vorsorgevollmacht ist das Institut für Betreuungsrecht seit über 30 Jahren führend in der juristischen Forschung tätig.
Warum gibt es überhaupt das Betreuungsgesetz?
Die meisten Bundesbürger glauben, dass sie im Notfall durch Ihren Ehepartner oder Angehörigen oder durch Kinder vertreten werden, also für den Fall, dass ein Elternteil, die Kinder oder die Eltern nicht mehr handeln können, glauben wir, dass es eine gesetzliche oder automatische Stellvertretung in Deutschland gibt – wie beispielsweise in Österreich.
Tatsache ist aber, dass es in Deutschland keine gesetzliche Stellvertretung gibt. Hat ein Ehepartner, ein Angehöriger oder ein älterer Mensch einen Unfall und kann nicht mehr handeln – wird er ins Krankenhaus eingeliefert. Der Arzt darf den Angehörigen oder Ehepartner keine Auskunft erteilen, weil er sich strafbar machen würde. Er unterliegt der Verschwiegenheitspflicht. Nur falls eine Vorsorgevollmacht vorgelegt wurde, kann er im Notfall mit dem Angehörigen oder Ehepartner reden. Ansonsten wird von dem zuständigen Arzt automatisch eine Betreuung bei Gericht angeregt. Die Betreuung bedeutet, dass ein Betreuer die Entscheidungen über Operationen, über Einweisung in Heime oder über Vermögensdispositionen trifft.
Der Angehörige oder Ehepartner kann unter Umständen Betreuer werden. Es gibt hier aber keine Automatik. Der Richter kann auch aus Gründen – weil die Angehörigen zerstritten sind – einen fremden Betreuer auswählen. Die Angehörigen und Ehepartner haben kein Recht, an dem Betreuungsverfahren teilzunehmen und haben auch kein Recht, die Akten automatisch einzusehen. Sie können zwar einen entsprechenden Antrag bei Gericht stellen, ob der Antrag allerdings positiv entschieden wird, hängt von vielen verschiedenen Tatbeständen ab.
Wir erleben auch sehr viele gute Betreuer in Deutschland, die vom Gericht bestellt werden. Wir kritisieren aber, dass die Betreuer nicht die entsprechende Ausbildung haben. Wir kritisieren aber auch viele schlechte Betreuer, die dadurch auffallen, dass sie sich in Gutsherrenart über die Betreuten hinwegsetzen. Viele Betreute beschweren sich, dass die Betreuer sie nicht oft genug besuchen kommen. Auch hier existiert ein Missverständnis des Gesetzes. Die Betreuten glauben, dass der Betreuer, wie es oft auch in den Pressedokumentationen des Staates oder der Gemeinden dargestellt wird, ständig für den Betreuten da ist. Der Betreuer ist rechtlicher Vertreter und nicht für die Pflege und die täglichen Besuche des Betreuten zuständig.