Wie schon in mehreren Artikeln dargestellt, besteht die Möglichkeit, bzw. die Gefahr, dass trotz bestehender, wirksamer Vorsorgevollmacht vom Betreuungsgericht ein Betreuer bestellt wird mit dem Ziel, die Vollmacht außer Kraft zu setzen, diese also zu widerrufen. Und zwar dann, wenn „das das Festhalten an der erteilten Vollmacht eine künftige Verletzung des Wohls des Betroffenen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und in erheblicher Schwere befürchten lässt und mildere Maßnahmen nicht zur Abwehr eines Schadens für den Betroffenen geeignet erscheinen“ (BGH XII ZB 647/14).
Wenn ein Betreuer mit dem Aufgabenkreis „Widerruf der Vollmacht“ ausgestattet werden soll, bedeutet dies, dass das Gericht die Voraussetzungen dieser speziellen Betreueraufgabe genau zu prüfen hat. Dazu gehört – nachdem im Übrigen durch das Gericht zunächst festzustellen ist, dass mildere Mittel nicht zielführend sind – dass eine Beweisaufnahme dazu stattfindet. Das bedeutet, dass ein Sachverständiger beauftragt werden muss, der dazu Stellung nimmt, ob der Aufgabenkreis „ Widerruf der Vollmacht“ im Sinne des Betroffenen (Vollmachtgeber) notwendig ist. Ebenso muss die zuständige Betreuungsbehörde dazu befragt werden. Auch sie muss sich zur Erforderlichkeit der Betreuung zum Zwecke des Vollmachtwiderrufs äußern. Diese Voraussetzungen müssen auch dann vorliegen, wenn zuvor schon eine Betreuung mit anderen Aufgabenkreisen besteht, und nun um den Aufgabenkreis „Widerruf der Vollmacht“ erweitert werden soll. Durch diese Verfahrensweise soll sichergestellt werden, dass der schwere Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht, den der Widerruf einer Vollmacht immer darstellt, gerechtfertigt wird.
Nach Meinung der Rechtsprechung soll die Übertragung dieses Aufgabenkreises dazu führen, dass der Betreuer in der Folge gar keine andere Möglichkeit mehr hat, als die Vollmacht zu widerrufen. Denn die Prüfung, ob dies wirklich notwendig ist, sei durch die Prüfung und Beurteilung des Betreuungsgerichts ausreichend und abgeschlossen. Der Aufgabenkreis darf nur übertragen werden, wenn er wirklich erforderlich ist. Daraus folgt nach Ansicht der Rechtsprechung, dass das Widerrufsrecht des Betreuers auch eine entsprechende Widerrufspflicht begründet. Etwas anderes soll nur dann gelten, wenn sich in der Zwischenzeit eine erhebliche Änderung der bestehenden Sachlage ergeben hat.
Diese Konsequenz scheint aber – jedenfalls in der Vergangenheit – nicht allen Betreuungsgerichten klar (gewesen) zu sein. Unserer Stiftung sind Betreuerbeschlüsse bekannt, in denen beispielsweise Kontrollbetreuer mit der Überwachung des Vorsorgebevollmächtigten beauftragt wurden und weiterhin „gegebenenfalls zum Widerruf der Vollmacht“ berechtigt wurden. Unserer Meinung nach ist ein Kontrollbetreuer mit einem derart formulierten Aufgabenkreis keinesfalls berechtigt, die Vollmacht zu widerrufen. Denn offensichtlich wurde in einem solchen Fall keine ausreichende Prüfung durch das Gericht durchgeführt. Nur dann, wenn das Gericht die evtl. vom Betreuer zu treffende Entscheidung durch eigene Ermittlungen vorgezogen hat, kann ein darauf folgender Widerruf durch den Betreuer hinzunehmen sein. Ansonsten wäre es allein der Entscheidung des Betreuers überlassen, ob eine Vollmacht widerrufen – und damit vernichtet – wird oder nicht. Ein untragbares Ergebnis.
Eine weitere Ungereimtheit in diesem Zusammenhang ist die Frage, inwieweit Betreuerbeschlüsse zu beurteilen sind, die von Rechtspflegern erlassen wurden, die den Betreuer zu dem Widerruf einer Vollmacht berechtigen. Von einer richterlichen Prüfung der Voraussetzungen und förmlichen Beweisaufnahme (§§ 30, 280 FamFG) kann hier ja wohl nicht gesprochen werden.