Patientenverfügung – Streitpunkt Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen

Unsere Stiftung bekommt immer wieder Anfragen von Personen zum Thema Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen. In Gesprächen mit betroffenen Familienangehörigen haben wir festgestellt, dass es leider oft passiert, dass Menschen, die wirksame Patientenverfügungen mit dem Inhalt verfasst haben, dass sie keine lebenserhaltenden Maßnahmen wünschen, im Krankenhaus trotzdem künstlich am Leben erhalten werden. Dies ist für die Angehörigen ein oft unerträglicher Zustand. Nicht nachvollziehbar ist, warum viele Angehörige in solchen Situationen bei Ärzten oft auf „taube Ohren“ stoßen und wochen- oder monatelang darum kämpfen müssen, dass dem in der Patientenverfügung klar geäußerten Willen der Patienten Rechnung getragen wird.
Mit seinem aktuellen Beschluss vom 17.09.2014 (AZ: XII ZB 202/13) hat der BGH das Recht auf passive Sterbehilfe bei Wachkomapatienten ohne Patientenverfügung gestärkt.

Wenn keine (wirksame) Patientenverfügung vorliegt kommt es entscheidend darauf an, was der Patient mutmaßlich gewollt hätte. Die Feststellung dieses mutmaßlichen Willens ist in der Realität oft sehr schwierig und unterliegt zurecht strengen Beweismaßstäben:
1.
Der Abbruch einer lebenserhaltenden Maßnahme bedarf dann nicht der betreuungsgerichtlichen Genehmigung nach § 1904 Abs. 2 BGB, wenn der Betroffene einen entsprechenden eigenen Willen bereits in einer wirksamen Patientenverfügung niedergelegt hat und diese auf die konkret eingetretene Lebens- und Behandlungssituation zutrifft. Im Übrigen differenziert § 1901a Abs. 2 S. 1 BGB zwischen den Behandlungswünschen einerseits und dem mutmaßlichen Willen des Betroffenen andererseits.
2.
Das Vorliegen einer Grunderkrankung mit einem „irreversibel tödlichen Verlauf“ ist nicht Voraussetzung für den zulässigen Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen. Für die Verbindlichkeit des tatsächlichen oder mutmaßlichen Willens eines aktuell einwilligungsunfähigen Betroffenen kommt es nicht auf die Art und das Stadium der Krankheit an.
3.
Für die Feststellung des behandlungsbezogenen Patientenwillens gelten strenge Beweismaßstäbe. Sie haben der hohen Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter – dem Selbstbestimmungsrecht einerseits und dem Schutz des Lebens andererseits – Rechnung zu tragen. Dabei ist nicht danach zu differenzieren, ob der Tod des Betroffenen unmittelbar bevorsteht oder nicht.

Susanne Kilisch
Wiss. Mitarbeiterin

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