Wie können unbeteiligte Dritte einer betreuten Person weiterhelfen?

Vielfach wird unsere Stiftung von besorgten und hilfsbereiten Dritten (Nachbarn, Freunde, Pflegepersonal etc.) kontaktiert, denen Missstände in Betreuungsverfahren auffallen, die jedoch nicht wissen, auf welche Weise sie betreuten Personen weiterhelfen können.

Wir wollen im Folgenden drei Möglichkeiten zur effektiven Unterstützung betreuter Personen für Dritte, die nicht in einem Angehörigenverhältnis zu den betreuten Personen stehen, darstellen. Alle drei Möglichkeiten können alternativ in Angriff genommen oder auch mit einander kombiniert werden:

1.

Jede betreute Person ist nach § 275 FamFG als verfahrensfähig im Betreuungsverfahren anzusehen. Das bedeutet, dass jede betreute Person – unabhängig von Geschäfts(un)fähigkeit, Krankheitsbild und eventueller Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts – dazu berechtigt ist einen Rechtsanwalt zur Vertretung im Betreuungsverfahren auszusuchen und zu beauftragen. Auf dem Weg, einen zur Vertretung bereiten Rechtsanwalt zu finden, können Betreute durch Dritte unterstützt werden.

Einige Betreuer sind über die Verfahrensfähigkeit nicht informiert oder behaupten, davon keine Kenntnis zu haben, teilweise wohl um eine adäquate Interessenvertretung für die betreute Person zu unterbinden. Sie treten in gewisser Weise „einschüchternd“ gegenüber betreuten Personen und/oder gegenüber Dritten auf mit dem Hinweis, sie würden einer anwaltlichen Vertretung der betreuten Person nicht zustimmen, außerdem sei diese geschäftsunfähig und könne deshalb einen Rechtsanwalt nicht wirksam beauftragen. Die Erteilung des Mandats sei deshalb unwirksam. In vielen Fällen lassen sich sowohl Betreute als auch unterstützungsbereite Dritte davon abschrecken.

Das ist falsch und muss nicht akzeptiert werden.

Neben der eindeutigen Intension des § 275 FamFG ist die Rechtsprechung hier eindeutig, wir verweisen hierzu auf den sehr aussagekräftigen Beschluss des BGH v. 30.10.20213, AZ XII ZB 317/13.

Problematisch sind natürlich in diesem Zusammenhang vielfach die Kosten, die die anwaltliche Vertretung für die Betreuten verursacht. In vielen Fällen ist die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für vermögenslose betreute Person möglich.

2.

Unterstützungsbereite Dritte können sich selbst anwaltlich vertreten lassen mit dem Ziel, eine Beteiligung am Betreuungsverfahren zu erreichen oder zumindest verfahrensfördernd in das Betreuungsverfahren einzugreifen, indem z. B. Missstände/Pflichtverletzungen mitgeteilt werden und ggf. ein Betreuerwechsel angeregt oder beantragt wird. Ob dieses Vorgehen erfolgreich sein wird, ist selbstverständlich vom Einzelfall abhängig und setzt die Bereitschaft des Dritten voraus, die Anwaltskosten selbst zu tragen. Die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe kommt für diese Konstellation regelmäßig nicht in Betracht.

3.

Die dritte Möglichkeit besteht darin, sich ohne anwaltliche Hilfe schriftlich in sachlicher, jedoch deutlich aussagekräftiger Form an das Betreuungsgericht und an die Betreuungsbehörde zu wenden und die konkrete Situation der betreuten Person, die sich oft nicht selbst adäquat äußern kann und deshalb bei Gerichten und Behörden „nicht gehört“ wird, darzustellen. Dies ist für jeden Dritten, der in irgendeiner Form in Kontakt zu der betreuten Person steht und deshalb über Unterstützungsbedarf und/oder Pflichtverletzungen von Betreuern informiert ist, möglich. Besonders unterstützend ist die direkte Einbindung der betreuten Person selbst. Gegebenenfalls finden sich auch weitere Nachbarn, Freunde oder ein langjähriger Hausarzt, die sich anschließen und zusätzlich durch Stellungnahmen auf Missstände aufmerksam machen.

Grundlegend bedeutsam für alle drei Möglichkeiten ist die Tatsache, dass für Betreuungsverfahren die Amtsermittlungspflicht gilt. Das bedeutet, wenn das Betreuungsgericht von erheblichen Missständen innerhalb eines Betreuungsverfahrens durch wen auch immer, also auch durch einen (unbeteiligten) Dritten erfährt, können (im Rahmen einer Ermessensentscheidung) gerichtliche Ermittlungen auf den Weg gebracht und so (idealerweise) die Situation der betreuten Person verbessert werden.

Hilfsbereiter Einsatz dritter, am Betreuungsverfahren „eigentlich“ unbeteiligter Personen erfordert immer ein gewisses Maß an Zivilcourage. Immer wieder erfährt die Kester-Haeusler-Stiftung durch Anfragen und Erfahrungsberichte, dass gesunder Menschenverstand und Hilfsbereitschaft in unserer Gesellschaft verwurzelt sind. Besondere Rechtskenntnisse sind dafür nicht erforderlich, wohl aber oft Beharrlichkeit und Geduld, mit langen Bearbeitungszeiten ist ebenso zu rechnen wie mit der Tatsache, dass ein einziges Schreiben vielleicht nicht ausreicht. Einen Versuch ist es in jedem Fall wert. Wir wissen, dass schon vielen Menschen auf diese Weise geholfen werden konnte.

 

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