Prozessfähigkeit betreuter Personen § 53 ZPO – Vertretung betreuter Personen durch Betreuer in Rechtsstreitigkeiten

Eine wesentliche Neuerung bringt die Betreuungsrechtsreform zum 01.01.2023  im Hinblick auf die Prozessfähigkeit von betreuten Personen mit § 53 ZPO mit sich. Vorab ist hierzu klarzustellen, dass die Regelung des § 53 ZPO nicht die Verfahrensfähigkeit betreuter Personen in ihrem eigenen Betreuungsverfahren erfasst oder in frage stellt. Die Verfahrensfähigkeit – und damit auch das Recht, einen Rechtsanwalt zu beauftragen – wird für betreute Personen betreffend ihres Betreuungsverfahrens durch § 275 FamFG gewährleistet, für Unterbringungsverfahren nach § 316 FamFG.

Die Neuregelung zur Prozessfähigkeit für betreute Personen nach § 53 ZPO betrifft also gerichtliche Streitigkeiten von Betreuten, die nichts mit dem Betreuungsverfahren zu tun haben, wie z. B. ein Rechtsstreit mit dem Vermieter, Zahlungsklagen, Familiensachen wie Scheidung und Scheidungsfolgesachen etc.

  • 53 ZPO lautet:
  1. Bei Personen, für die ein Betreuer bestellt ist, richtet sich die Prozessfähigkeit nach den allgemeinen Vorschriften.
  2. Wird ein Betreuter in einem Rechtsstreit durch einen Betreuer vertreten, kann der Betreuer in jeder Lage des Verfahrens gegenüber dem Prozessgericht schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle erklären, dass der Rechtsstreit fortan ausschließlich durch ihn geführt wird (Ausschließlichkeitserklärung). Mit Eingang der Ausschließlichkeitserklärung steht der Betreute für den weiteren Rechtsstreit einer nicht prozessfähigen Person gleich. Der Betreuer kann die Ausschließlichkeitserklärung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft zurücknehmen.

 

Was ist der Unterschied zur alten Rechtslage?

Früher führte allein das Auftreten von Betreuern in einem Rechtsstreit dazu, dass die betreute Person dadurch zwangsläufig als prozessunfähig angesehen wurde und der Betreuer als gesetzlicher Vertreter führte den Rechtsstreit. Seit 01.01.2023 führ erst die ausdrücklich durch den Betreuer abgegebene „Ausschließlichkeitserklärung“ dazu, dass die betreute Person als prozessunfähig angesehen wird. Die Ausschließlichkeitserklärung kann durch den Betreuer jederzeit rückgängig gemacht werden, so dass es ab diesem Zeitpunkt wieder der betreuten Person obliegt, den Rechtsstreit zu führen.

Darf der Betreuer frei entscheiden, ob der die Ausschließlichkeitserklärung abgibt oder nicht?

Nein. Er ist bei dieser Entscheidung – genauso wie für jede andere Entscheidung als gesetzlicher Vertreter der betreuten Person – an die „Magna Chara“ des Betreuungsrechts, § 1821 BGB gebunden. Diese besagt, dass der Erforderlichkeitsgrundsatz für die gesamte Betreuungsführung gilt. Der Betreuer darf also nur dann seine Vertretungsmacht für die betreute Person ausüben, wenn dies erforderlich ist. Dies richtet sich nach der Frage, ob die betreute Person unter Aufbietung sämtlicher Unterstützungsmöglichkeiten tatsächlich nicht selbst dazu in der Lage ist, eigene Entscheidungen zu treffen. Erst dann, wenn dies nicht so ist, dürfen Betreuer von ihrer Vertretungsmacht überhaupt erst Gebrauch machen. Es gibt immer noch eine große Anzahl von (vor allem) Berufsbetreuern, die die Bedeutung des Erforderlichkeitsgrundsatzes entweder nicht verinnerlicht haben oder ihn missachten. Immer wieder sind sie darauf hinzuweisen, dass das Selbstbestimmungsrecht nicht mit Anordnung einer Betreuung endet. Das Selbstbestimmungsrecht soll mit der Neuregelung des § 53 ZPO zusätzlich gestärkt werden. Die Abgabe der Ausschließlichkeitserklärung durch Betreuer kommt demnach nur und erst dann in Betracht, wenn die betreute Person nicht mehr dazu in der Lage ist, ihre Rechte in einem Rechtsstreit oder gerichtlichen Verfahren selbst zu vertreten.

Welche Rechtsfolge hat die Abgabe der Ausschließlichkeitserklärung, wenn die Voraussetzungen nach dafür nicht erfüllt sind, sie also eigentlich nicht „erforderlich“ ist?

An der Wirksamkeit der Ausschließlichkeitserklärung im Außenverhältnis ändert das nichts. Die Vertretung der betreuten Person durch den Betreuer in dem jeweiligen Rechtsstreit trotzdem wirksam. Allerdings können sich daraus haftungsrechtliche Ansprüche der betreuten Person gegenüber dem Betreuer ergeben (Innenverhältnis).

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