Immer wieder kommt es vor, dass betreuten Personen das Sachverständigengutachten unbekannt ist und sie in der gerichtlichen Anhörung von Inhalt und Ergebnis des Gutachtens zum ersten Mal erfahren

Der BGH hat hierzu erneut entschieden:

  1. Die Verwertung eines Sachverständigengutachtens als Grundlage einer Entscheidung in der Hauptsache gem. § 37 Abs. 2 FamFG setzt voraus, dass das Gericht den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt hat. Insoweit ist das Gutachten in seinem vollen Wortlaut dem Betroffenen im Hinblick auf seine Verfahrensfähigkeit (§ 316 FamFG) grundsätzlich rechtzeitig vor dem Anhörungstermin zu überlassen, um ihm Gelegenheit zu geben, sich zu diesem und den sich hieraus ergebenden Umständen zu äußern (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 24.3.2021 – XII ZB 445/20, BtPrax 2021, 153).
  2. Hat das AG die Hinausgabe des Sachverständigengutachtens an den Betroffenen verfügt und ist diese Verfügung ausgeführt, so hat das AG grundsätzlich seine Verpflichtung erfüllt, dem Betroffenen das Gutachten im vollen Umfang zu überlassen.

Anders verhält es sich aber dann, wenn das AG aufgrund weiterer Umstände gleichwohl nicht auf die erfolgreiche Übermittlung des Gutachtens an den Betroffenen vertrauen kann.

BGH, Beschluss vom 23.11.2022, AZ: XII ZB 384/23

In dem zitierten Fall wurde das Gutachten zusammen mit der Ladung zur gerichtlichen Anhörung an die Pflegeeinrichtung gefaxt. Die betreute Person hatte das Betreuungsgericht schon im Vorfeld mehrmals darüber informiert, das Gutachten nicht erhalten zu haben. Darüber hinaus war die betreute Person tagsüber nicht anzutreffen. Für das Betreuungsgericht hätte deshalb Veranlassung dazu bestanden, nachzufragen, ob die betreute Person das Gutachten (vollständig) erhalten hat oder nicht. Das Betreuungsgericht hätte dieser Frage nachgehen müssen um zu entscheiden, ob ggf. die unterbliebene Überlassung des Gutachtens an die betroffene Person nachgeholt werden muss und damit verbunden ein neuer Anhörungstermin zu bestimmen gewesen sei.

Der aktenkundige Nachweis, dass das Gutachten erfolgreich per Fax an die Pflegeeinrichtung durch das Gericht übermittelt wurde, genügte in diesem Fall deshalb nicht, ein Verfahrensfehler lag damit vor.

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