Verfahrensfähigkeit von geschäftsfähigen Betreuten – Können sie einen Rechtsanwalt beauftragen?

Ein grundlegendes Problem, das uns immer wieder begegnet, ist die Frage nach der Verfahrensfähigkeit von geschäftsunfähigen Betreuten. Darunter versteht man die Fähigkeit, in einem Verfahren als Beteiligter aufzutreten und Rechte im Verfahren selbst auszuüben und umfasst nach herrschender Meinung auch – und das ist für Betroffene von enormer Bedeutung – die wirksame Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts durch einen geschäftsunfähigen Betroffenen. Denn wenn es darum geht, die Rechte eines Betreuten vor Gericht geltend zu machen, sind die Betroffenen alleine oft auf hilflosem Posten. Man muss sich nur einmal vorstellen, dass ein Betreuter permanent einem pflichtwidrigen Verhalten durch seinen Betreuer ausgesetzt ist. Wie sollte sich dieser Betreute denn gegen den Betreuer wehren, wenn er diesbezüglich auch auf ihn als seinen gesetzlichen Vertreter angewiesen wäre? Die verfahrensrechtliche Position eines geschäftsunfähigen Betreuten, die durch das Gesetz gestärkt werden soll (§ 275 FamFG) wäre in einer Vielzahl von Fällen überhaupt nicht vorhanden – hätte der Betroffene nicht die eigene Möglichkeit, wirksam allein einen Rechtsanwalt zu beauftragen.
Schwierigkeiten wirft diese Frage auf, wenn der Betroffene nicht nur geschäftsunfähig, sondern darüber hinaus auch krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage ist, einen natürlichen Willen zu bilden, also schwer kranke Personen, die sich evtl. sogar überhaupt nicht mehr äußern können. Sind diese dem Wohlwollen ihrer Umgebung, ihres Pflegers, ihres Betreuers ausgesetzt und ansonsten wehrlos? Auf eine wahrscheinlich nicht geringe Dunkelziffer an Fällen in Deutschland wird dies wohl zutreffen. Gerade im Rahmen unserer Stiftungstätigkeit werden immer wieder Fragen von Angehörigen oder Freunden von Betreuten an uns herangetragen, wie man denn da helfen könne, wenn eigene Rechte eines Dritten, gegen bspw. einen Betreuer vorzugehen, nicht vorhanden sind.
Obwohl es in der Rechtsprechung und in der Literatur unterschiedliche Auffassungen dazu gibt, tritt eine Linie deutlich hervor: Es wäre mit dem Gesetz nicht vereinbar, wenn man verlangen würde, dass der Betroffene hinsichtlich der Beauftragung eines Rechtsanwalts in der Lage sein müsste, einen dahingehenden (natürlichen) Willen zu bilden. Die Verfahrensfähigkeit des Betroffenen besteht uneingeschränkt und ist mit keinen weiteren Voraussetzungen verknüpft.
s. BGH, Beschl. v. 30.10.2013, AZ: XII ZB 317/13

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