Der Umgang zwischen Eltern und Kind darf jedenfalls in Krisensituationen staatlicherseits nur dann eingeschränkt werden, wenn der Grundrechtsschutz von Art. 6 GG durch die immanente Schranke anderer verfassungsrechtlich geschützter Rechtsgüter zurückgedrängt wird. Die Schwere der Schutzwirkung des in Art. 6 GG verankerten Freiheitsrechts hängt sowohl vom Alter als auch von den Lebensumständen der Familienmitglieder ab. Wenn es sich um eine bloße Begegnungsgemeinschaft von Eltern und erwachsenen Kindern handelt, ist dieser Grundrechtsschutz vergleichsweise schwach eingestellt. Allerdings kann dem Eltern-Kind-Verhältnis in einer Krisensituation eine höhere Bedeutung für die seelische Stabilität auch von erwachsenen Familienmitgliedern zukommen.
OLG Hamm, Beschl. v. 30.10.2008, 15 Wx 257/08
Dieser Entscheidung lag ein Fall zugrunde, in dem für eine dementkranke und auch körperlich hinfällige Mutter eine Betreuung eingerichtet wurde, welche u. a. auch die Aufgabenkreise Personensorge einschließlich Aufenthaltsbestimmung umfasste. Da das Verhältnis der beiden erwachsenen Kinder der Betreuten (Beteiligte zu 4) und Beteiligte zu 5 )) zueinander von gegenseitigem Misstrauen und Anschuldigungen geprägt wurde, war die Bestellung eines Berufsbetreuers notwendig geworden.
Der Betreuer hat gegenüber der Beteiligten zu 4) ein Besuchsverbot für die Betroffene ausgesprochen, da er befürchtete, die Beteiligte wollte die Mutter nach Spanien bringen. Dagegen richtete sich die Beteiligte zu 4), indem sie beantragte, den Betreuer zu entpflichten. Zwar hatte sie ihre Mutter schon früher mehrmals mit nach Spanien genommen und hatte auch vor, sie nun wieder für kurze Zeit mitzunehmen. Allerdings akzeptiere sie die Bedenken des Betreuers gegen dieses Vorhaben und werde sich danach richten. Dennoch holte sie die Betroffene aus dem Heim ab und erklärte dem Personal, sie werde die Betroffene nur zu einem Verwandtschaftsbesuch in der Nähe mitnehmen. Tatsächlich hielten sie sich dort aber nur kurz auf und reisten anschließend doch nach Spanien weiter. Hier blieb die Betroffene mehrere Wochen. Nachdem die Betroffene wieder in Deutschland war, sollte sie mit der Beteiligten zu 4) wieder nach Spanien reisen. Dies verhinderte der Betreuer unter Einschaltung der Flughafenpolizei, die die demente Frau vorübergehend in Gewahrsam nahm. Im Anschluss daran wurde der Beteiligten zu 4) vom Amtsgericht mit einstweiliger Anordnung der Umgang mit der Betroffenen untersagt.
In derartigen Konstellationen muss für ein umfassendes Kontaktverbot in jedem Einzelfall nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit genau geprüft werden, wie erheblich die Gesundheitsgefahr für den Betroffenen ist, und in welch anderer Form ein Umgangsrecht (z. B. Besuche im Pflegeheim) dennoch zugelassen werden kann.