Das inzwischen 30 Jahre alte und mittlerweile immer heftiger kritisierte Sachwalterschaftsrecht wird abgeschafft.
Im Einzelnen:
In Österreich gibt es die eingeschränkte Vertretungsbefugnis von Ehegatten und die Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger. Dies bedeutet, dass die Ehegatten und bestimmte nächste Angehörige im Notfall für den Betroffenen rechtlich verbindlich handeln dürfen, weil sie durch Gesetz dazu ermächtigt sind. (In Deutschland gibt es diese gesetzliche Vertretungsbefugnis (noch) nicht, ein entsprechender Gesetzentwurf ist auf den Weg gebracht).
Dadurch ergaben sich in Österreich bis jetzt „stufenweise“ Betreuungsmöglichkeiten für den Betroffenen, deren Intensität sich danach richtete, inwieweit er durch seine Krankheit oder Behinderung noch in der Lage war, sich selbst um seine Angelegenheiten zu kümmern und ob Angehörige zur Unterstützung vorhanden waren. Um die intensivste Betreuungsvariante – die Bestellung eines Sachwalters – als „letztes Mittel“ zu vermeiden, gab es die Alternativen neben der Vorsorgevolllmacht die Vertretung durch einen nächsten Angehörigen oder eine Teil-Angehörigenvertretung.
Nun wurde das Erwachsenenschutzrecht in Österreich neu gestaltet.
Aus einer Zusammensetzung von
gerichtlicher Erwachsenenvertretung,
gesetzlicher Erwachsenenvertretung durch nächste Angehörige,
gewählter Erwachsenenvertretung (Benennung einer sofort vertretungsbefugten Person) und
Vertretung durch Vorsorgevollmacht
entsteht ein „Vier-Säulen-Modell“, welches die Betroffenen im Notfall optimal auffangen soll. In Österreich gibt es – im Unterschied zu fast allen europäischen Nachbarstaaten – schon seit Jahren ein Modell der Angehörigenstellvertretung. Durch die Reform des Erwachsenenschutzes soll dem erklärten Ziel, die verstärkte Einbindung der Angehörigen zu realisieren, weiter entgegengetreten werden.
Die bisher praktizierte Sachwalterschaft – die auch für alle Angelegenheiten angeordnet werden konnte und durch den damit verbundenen automatischen Verlust der Geschäftsfähigkeit mit erheblichen Eingriffen in die persönlichen Rechte der Betroffenen verbunden war – wurde abgeschafft. Sie wird ersetzt durch die gerichtliche Erwachsenenvertretung. Sie kann – ebenso wie zuvor die Sachwalterschaft – auf bestimmte (erforderliche) Vertreterhandlungen begrenzt werden und gilt folglich nicht für alle Angelegenheiten. Sie stellt die 4. Säule der Erwachsenenvertretung dar und soll nur dann erforderlich sein, wenn die 3 anderen Säulen, die aus der Vorsorgevollmacht, der gewählten Erwachsenenvertretung und der gesetzlichen Erwachsenenvertretung, die beide unterschiedliche Stufen der Angehörigenvertretung sind, wegfallen.
Die Reform beinhaltet auch einige Maßnahmen, die die verschiedenen Möglichkeiten des Missbrauchs der Erwachsenenvertretung verhindern soll: Für die gesetzliche und die gerichtliche Erwachsenenvertretung gilt, dass sie mit dem Ablauf von 3 Jahren endet. Sie muss dann zwangsläufig erneut geprüft werden, wenn sie weiterhin angeordnet werden soll.
Weiterhin gibt es regelmäßige gerichtliche Überprüfungen, u. a. durch Rechnungslegungspflichten, Vorlage von Lebenssituationsberichten, verschiedene Mitteilungspflichten, behördliche Überprüfungen.
Um dieses Modell der weitreichenden Vertretung durch Angehörige auf sichere Beine zu stellen, ist geplant, den zur Verfügung stehenden Beratungsstellen (Sachwalter- und Erwachsenenschutzvereine) eine zentrale Funktion zu geben. Sie sollen die Betroffenen und Angehörigen ausführlicher über die verschiedenen Möglichkeiten beraten und es soll auch die Möglichkeit geben, dort Vorsorgevollmachten zu erstellen und einen Erwachsenenvertreter zu wählen. Die Vereine sollen ein verpflichtendes „Clearing“ über die Frage durchführen, ob die Einleitung einer gerichtlichen Erwachsenenvertretung letztendlich erforderlich ist oder nicht. Die Einrichtung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung (vormals Sachwalterschaften) soll so insgesamt um ein Drittel verringert werden.