140. Fällt der Therapieverzicht und der Behandlungsverzicht handlungsunfähiger Patienten unter den Begriff „Euthanasie“?

Der schreckliche Begriff „Euthanasie“, der im Dritten Reich das wahllose Morden von Menschen durch rechtswidrige Gesetze, die leider auch die damaligen Juristen und Ärzte anwandten, möglich machte, sollte in dem Diskussionsthema Therapiebegrenzung und Behandlungsverzicht von sterbenskranken Menschen überhaupt nicht verwendet werden.
Es handelt sich hier bei der Therapiebegrenzung und beim Behandlungsverzicht bei Menschen, die sich letztendlich im Sterbevorgang befinden, um ein höchst diffiziles Gebiet.
Problematisch wird die Situation an sich nur dadurch, dass ein Großteil der Deutschen überhaupt keine Patientenverfügung anfertigt, weil sie sich mit dem Tod nicht auseinandersetzen wollen. In derartigen Situationen kommt es, soweit der Sterbevorgang einsetzte und der Patient sich unwiderruflich in dieser Phase befindet, zu Fragen, wie weit eine Therapiebegrenzung oder ein Behandlungsverzicht im mutmaßlichen Interesse des Patienten steht. Dieses mutmaßliche Interesse zu erforschen ist sicherlich äußerst schwierig. Meist haben die Entscheidungen Personen zu treffen, die mit dem Patienten zu Zeiten als er ansprechbar war, kaum etwas zu tun hatten. Es müssen Zeugen oder Dokumente über den mutmaßlichen Willen befragt und diese bewertet werden.
Letztendlich entscheidet immer das Wohl des Patienten, wobei im Rahmen der Entscheidungen auch zu berücksichtigen ist, ob Personen die derartige Entscheidungen – egal nach welcher Richtung – unterstützen, eigene Interessen haben. In der Praxis sind auch gerade in diesen problematischen Fällen Streitereien unter Angehörigen bekannt, die oftmals von ganz anderen Zielrichtungen getrieben werden. Es dürfte sich hier um das sicherlich menschlich schwierigste Gebiet im Rahmen der Rechtsprechung und Aufgabenbewältigung für Richter, Betreuer und betroffene Person handeln, die letztendlich immer eine unglaubliche Verantwortung übernehmen. Dies sollte im Rahmen der Diskussion nie außer acht bleiben.
Letztendlich wollen die ernst zu nehmenden Diskussionsteilnehmer eins erreichen, dass sinnlose medizinische Behandlungen, egal ob durch Medikamente oder Apparate kein Leiden verzögern oder hervorrufen, das menschenunwürdig ist und das der Betroffene nie gewünscht hätte.
Die Problematik ist, die Grenze zu erkennen. Letztendlich ist es so, sobald der Mediziner diese Grenze überschreitet und die Behandlung abbricht, steht er nicht nur im Bereich der vermutlichen Einwilligung des Patienten, sondern er begeht auch Körperverletzung bzw. macht sich wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar. Die bei vielen Ärzten bestehende Angst, sich hier an der unterlassenen Hilfeleistung strafbar zu machen, ist, so habe ich es in Gesprächen mit Ärzten erfahren, aber nicht vorhanden, wenn sie medizinische Behandlungen veranlassen, die sinnlos, menschenunwürdig oder therapiemäßig überhaupt nicht vertretbar sind. In diesem Bereich wäre nicht nur die Möglichkeit der Erfüllung von Straftatbeständen gegeben sondern auch von zivilrechtlichen Ansprüchen auf Ersatz derartiger Behandlungskosten.

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