124. In welchem Spannungsfeld befindet sich eine Patientenverfügung?

Die Patientenverfügung befindet sich im Spannungsfeld zwischen dem grundrechtlich geschützten Recht eines menschenwürdigen Todes, dem gegenüber allerdings auch das Grundrecht auf absoluten Schutz des Lebens steht. Als drittes Kriterium ist das Selbstbestimmungsrecht des Patienten. Im Spannungsfeld dieser drei Kriterien muss die Patientenverfügung gesehen werden.
Eine Patientenverfügung kann meiner Ansicht nach nur dann Wirksamkeit entfalten, wenn der aktive Sterbevorgang einsetzte. Ich glaube, dass auch Entscheidungen nur in dem Bereich getroffen werden können, in dem es darum geht, auf lebensverlängernde Maßnahmen zu verzichten, um ein sinnloses Leiden zu verhindern.
Die Problematik entsteht nur dadurch, dass in den meisten Fällen der Patient selbst nicht mehr entscheidungsfähig ist. Welche Maßnahmen zu treffen sind, ist aber oftmals von gesetzlichen Betreuern zu treffen, die den Patienten und seinen Willen in den letzten Jahren meist überhaupt nicht kannten. Oftmals ist aber auch der Wille des Patienten, wie er wirklich in dieser Phase behandelt werden möchte, nur äußerst schwer zu erforschen.

Die Patientenverfügung kann in diesem Bereich sinnvolle Richtungen vorgeben. Sie ist allerdings mit äußerster Vorsicht zu betrachten, insbesondere auch im Hinblick auf das Alter, mit welchem die Patientenverfügung errichtet wurde. Oftmals erklären Patienten in jüngeren Jahren, dass sie die Apparatemedizin nicht wünschen. In älteren Jahren hängen sie dann erfahrungsgemäß häufig so am Leben, dass sie jeden Strohhalm ergreifen möchten, um noch am Leben zu bleiben. Nach meiner Ansicht sollte die Entscheidung möglichst den behandelnden Ärzten überlassen bleiben, die auch in der Vergangenheit in Absprache mit den Angehörigen oftmals richtig handelten. Selbst der Richter, der oft die letzte Entscheidung im Betreuungsfalle trifft, hat meist nicht die entsprechende Erfahrung, sondern greift auf entsprechende medizinische Sachverständige zurück.
Die grundliegenden Voraussetzungen für die Patientenverfügung ist meiner Ansicht nach auch die entsprechende ärztliche bzw. medizinische Aufklärung über die Konsequenz der einzelnen Maßnahmen, die im Rahmen des Sterbevorgangs eintreten können. Meiner Ansicht nach ist die Begleitung durch einen Arzt bei der Anfertigung einer Patientenverfügung unerlässlich. Das schlichte Ausfüllen von Vordrucken wird niemals der aktuellen Situation gerecht werden. Im Rahmen der Diskussion um die Patientenverfügung werden oftmals die Begriffe verwechselt, falsch verstanden oder teilweise auch absichtlich missbraucht.
Völlig außer acht lassen sollte man den Begriff „Sterbehilfe“. Die Ärzte werden nach meiner Ansicht niemals in Deutschland die Pflicht haben, aktive Sterbehilfe zu leisten. Es ist Pflicht und Aufgabe eines Arztes, schon aufgrund seines Eides, ein Sterben in Würde zu ermöglichen.
Problematisch ist dabei sicherlich wann überhaupt der Sterbevorgang einsetzt. Nach den Richtlinien der Bundesärztekammer beginnt der Sterbeprozess ab dem Zeitpunkt, wenn die elementaren körperlichen Lebensfunktionen erheblich beeinträchtigt sind oder völlig ausfallen. Das kann nach meiner Ansicht nur ein Arzt oder besser ein Ärztegremium feststellen. Man sollte seine Angehörigen vor der unhaltbaren Verantwortung schützen, hier Entscheidungen zur Frage des Eintritts des Sterbeprozesses zu treffen.

Genau an dieser Problematik sieht man, wie wichtig es ist, schon frühzeitig als Begleiter einen oder mehrere Ärzte zu haben. Ab Zeitpunkt des Sterbeprozesses tauchen dann die Fragen auf, wie weit welche Behandlung noch indiziert ist und ob einzelne Behandlungsarten nicht zu einem sinnlosen weiteren Leiden führen. Die ärztliche Verpflichtung zur Lebenserhaltung besteht nicht unter allen Umständen, insbesondere in Situationen, in denen eine entsprechende Diagnostik oder Therapie dem Patienten überhaupt nicht mehr hilft, sondern nur sein Leiden verlängert. Ziel der Situation ist also den Patienten nicht länger unzumutbaren Belastungen und Leiden auszusetzen. Die Medizin, die sich dann mit diesem Zeitraum befasst, nennt man in der Praxis auch palliative Medizin.

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