Missbrauch der Vorsorgevollmacht – Vorsicht bei Verwendung von allgemeinen Formularen!

Es wird diesseits als kritisch angesehen, dass in der Öffentlichkeit die Vorsorgevollmacht formularmäßig in einer Art und Weise angepriesen wird, die den Eindruck erweckt, jeder Interessierte könne gefahrlos ein solches Formular herunterladen und verwenden und hätte so für die Zukunft ausreichend und gewissenhaft vorgesorgt. Vor dieser Fahrlässigkeit kann nicht oft genug gewarnt werden! Denn das Tätigwerden aufgrund einer Vorsorgevollmacht übersteigt den Rahmen einer – im Übrigen – nicht justiziablen Gefälligkeit bei Weitem!
Um die Risiken der Vorsorgevollmacht soweit wie möglich einzudämmen ist eine klare und vor allem sachkundige Formulierung für den jeweiligen Einzelfall unerlässlich.
Es ist wichtig zu wissen, dass jede Vollmacht – auch die Vorsorgevollmacht – das Risiko enthält, dass sie durch den Vollmachtnehmer für dessen eigene Zwecke missbraucht werden kann. Zwar wird jeder Vollmachtgeber genau prüfen, wem er durch die Vorsorgevollmacht umfassende Rechte überträgt, jedoch zeigt leider die Erfahrung in der täglichen Praxis, dass unter Umständen auch die sorgfältigst ausgewählte Vertrauensperson im Stande ist, den Vollmachtgeber zu hintergehen, zu schädigen und damit auf üble Weise zu enttäuschen.
Außerdem will gut überlegt sein, ob und ggf. in welchem Umfang, der Bevollmächtigte dazu berechtigt werden soll, die Vollmacht auf einen Dritten zu übertragen!
Besonders leicht kann ein Bevollmächtigter dann unbemerkt in die eigene Tasche wirtschaften, wenn er als alleiniger Berechtigter handelt. Denn die Vorsorgevollmacht und deren Handhabung wird in vielen Fällen von niemandem kontrolliert – außer vom Vollmachtgeber selbst. Es liegt aber in der Natur der Sache, dass gerade der Vollmachtgeber oft gesundheitlich oder altersbedingt überhaupt nicht mehr (ausreichend) in der Lage ist, dem Bevollmächtigten in gebotenem Maße „auf die Finger zu schauen“. Zwar gibt es die Möglichkeit, zur Kontrolle des Bevollmächtigten vom Gericht einen Kontrollbetreuer einsetzen zu lassen. Dafür müssen aber konkrete Zweifel an der Redlichkeit oder Unfähigkeit des Bevollmächtigten vorliegen. Die alleinige Unfähigkeit des Vollmachtgebers zur Überwachung reicht dazu gemeinhin nicht aus. Es ist deshalb – je nach Lage des Einzelfalles – u. U. anzuraten, mehrere Bevollmächtigte einzusetzen, die bestimmte Geschäfte nur gemeinsam ausüben können und sich dadurch gegenseitig kontrollieren. Natürlich besteht jedoch auch hier die Gefahr eines gemeinschaftlichen Zusammenwirkens zum Schaden des Vollmachtgebers. Helfen kann hier aber auch der Einsatz eines Vollmachtskurators. Außerdem sollten für jeden Einzelfall bestimmte Rechnungslegungspflichten geschaffen werden.
Dabei ist die Gefahr, durch den Einsatz einer unkontrollierten Vorsorgevollmacht wirtschaftliche Schäden zu erleiden nur die eine Seite. Denn die Erfahrungen aus der Praxis zeigen in diesem Zusammenhang leider auch, dass der Phantasie bezüglich möglicher anderer Missbrauchsvarianten  offensichtlich wenig Grenzen gesetzt sind. Da gibt es auch nahe Angehörige, die sich nach ausführlichen Absprachen von den Volllmachtgebern umfassende Generalvollmachten, auch bezüglich persönlicher und gesundheitlicher Angelegenheiten, übertragen lassen um diese nur kurze Zeit später – natürlich entgegen aller Erwartungen – in Alters- und Pflegeheimen unterzubringen und den gesamten Besitz zu entsorgen, bzw. zu verkaufen. Nicht selten finden sich Senioren dann auch in solchen Einrichtungen wieder, die sich in großer räumlicher Distanz zu ihrem bisherigen Wohnsitz befinden. Es entfallen somit auch ganz schnell Besuche durch alte Freunde oder Nachbarn. Ein Verhalten, dass unter Umständen aber nur moralisch angreifbar ist, rechtlich aber oft nicht.
Erfahrungen haben wir mit einem Fall gemacht, in dem eine gezielte „Zufallsbekanntschaft“ dazu geführt hat, dass eine vermögende und allein lebende ältere Dame plötzlich von einer jüngeren, hilfsbereiten Person (ohne Einnahmen) in sämtlichen Lebenslagen „unterstützt“ wurde. Vereinfacht wurde diese „Unterstützung“ dadurch, dass diese Person samt Anhang gleich mietfrei in das Haus der älteren Dame eingezogen ist und umfangreich mit Rechten ausgestattet wurde.
Natürlich kann nicht grundsätzlich unterstellt werden, dass Vorsorgevollmachtsverhältnisse, in denen es zum Missbrauch kommt, von vornherein mit böser Absicht oder Vorsatz zum Missbrauch vereinbart wurden. Im Gegenteil, sehr oft ist es so, dass das Verhältnis Vollmachtnehmer / Bevollmächtigter über längere Zeit ohne Beanstandungen abläuft. Wenn der Vollmachtgeber dann älter, seniler, evtl. sogar Pflegefall wird, ändert sich das Verhalten des Bevollmächtigten. Zum einen kennt er sich nun genau aus, was z. B. die Vermögensverhältnisse des Vollmachtgebers betrifft. Zum anderen weiß er, welche Angehörigen es gibt, wie eng der Kontakt zu diesen ist und ob sie überhaupt einen Einblick in die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse haben. Nun ist es für den Bevollmächtigten oft verlockend und einfach, die eigenen Bedürfnisse über die des Vollmachtgebers zu stellen. Zunächst wird vielleicht nur eine persönliche Rechnung über das Konto des Vollmachtgebers bezahlt, dann zahlt sich der Bevollmächtigte plötzlich selbst eine Entschädigung für seine Tätigkeit. Und da alles so einfach ist und niemandem auffällt, ist dies oft nur der Anfang von weitergehendem, schwerwiegendem Missbrauch. Falls der Bevollmächtigte später sogar selbst noch Erbe wird, fällt der Missbrauch nie jemandem auf.
Der Vollmachtgeber, der in manchen Fällen vielleicht sogar noch bemerkt, dass der Bevollmächtigte an ihm „vorbeiwirtschaftet“ ist oft gesundheits- oder altersbedingt nicht mehr geschäftsfähig und kann deshalb die Vollmacht nicht einfach widerrufen. Er muss sich dazu rechtlichen Beistand suchen und u. U. eine Kontrollbetreuung anstreben. Die Lebenserfahrung zeigt aber, dass die Betroffenen dazu dann oft nicht mehr in der Lage sind.

Susanne Kilisch
Wiss. Mitarbeiterin

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