Ist die Zuständigkeit des Rechtspflegers im Hinblick auf die Entwicklungen zum Thema „Kontrollbetreuung – Widerruf von Vorsorgevollmachten“ wirklich noch gerechtfertigt?

Die Frage, ob es richtig ist, dass für die Einrichtung einer Kontrollbetreuung und dem damit oft zusammenhängenden Aufgabenkreis „Widerruf einer Vollmacht“ wirklich der Rechtspfleger zuständig sein soll, oder ob dies dem Richter vorbehalten sein soll, wird inzwischen zu Recht sehr kontrovers diskutiert. Die gesetzliche Regelung erklärt bis jetzt den Rechtspfleger für zuständig, § 1896 Abs. 3 BGB, § 14 Nr. 4 RPflG. Die Probleme, die sich immer mehr daraus ergeben, kommen daher, dass diese Zuständigkeitsregelung angesichts der praktischen Entwicklung und Bedeutung von Vorsorgevollmachten und deren Widerruf immer mehr in Frage gestellt wird.
Die Rechtsprechung entwickelt schon längere Zeit ihren Standpunkt zu diesem Thema und festigt sich zunehmend dahingehend, dass – angesichts der weitreichenden Folgen für den Vollmachtgeber –  nur der Richter über den ausdrücklich zuzuweisenden Aufgabenkreis „Widerruf einer Vollmacht“ entscheiden darf.  Man muss sich zu diesem Thema etwas mit der Entwicklung des Betreuungsrechts in den letzten Jahren beschäftigen:
Noch vor einigen Jahren war die Erstellung einer Vorsorgevollmacht nicht die Regel. Das ist heute zwar auch noch nicht überwiegend so, jedoch hat sich für dieses Thema inzwischen eine weit verbreitete Sensibilität in der Gesellschaft bemerkbar gemacht, die Menschen sind diesbezüglich gut informiert und immer mehr nehmen die Gelegenheit wahr, ihre persönliche – vielleicht einmal notwendige Vertretung und Versorgung – individuell nach eigenen Maßstäben durch Vorsorgevollmachten zu gestalten und entsprechend zu regeln. Daraus resultiert aber auch zwangsläufig, dass  in der Praxis zunehmend rechtliche Probleme und Fragestellungen in Zusammenhang mit missbräuchlichem Gebrauch von Vollmachten und dem – damit letztlich oft verbundenen – Vollmachtwiderruf auftauchen. Bei Vorliegen entsprechender Umstände wird ein Kontrollbetreuer eingesetzt, der schlussendlich auch oft zum „Widerruf der Vollmacht“ berechtigt wird:
Der Inhalt einer Kontrollbetreuung nach § 1896 Abs. 3 BGB wurde ursprünglich als reiner „Schutzmechanismus“ gegenüber dem Vollmachtgeber gesehen. Der Kontrollbetreuer sollte den Bevollmächtigten kontrollieren können, um den Vollmachtgeber vor dem Missbrauch der Vollmacht durch den Vollmachtnehmer wirksam zu schützen. Es durfte also davon ausgegangen werden, dass allein durch diese Betreuertätigkeit kein Eingriff in die Rechte des Betroffenen (Vollmachtgebers) stattfinden würde. Deshalb wurde es grundsätzlich als ausreichend erachtet, den Rechtspfleger dazu zu ermächtigen, nach Prüfung der Voraussetzungen einen Kontrollbetreuer einzusetzen und mit dem entsprechenden Aufgabenkreis auszustatten. Ein Richtervorbehalt wurde unter diesen Umständen nicht für notwendig erachtet.
Vorausgesehen wurde jedoch nicht, dass es im Laufe der Zeit zu steigenden Zahlen von Vorsorgevollmachten und dementsprechend auch von Vollmachtmissbrauch kam und deshalb die Figur des Kontrollbetreuers und vor allem seine Handlungsmöglichkeiten anhand der Gestaltung seines Aufgabenkreises erheblich an Bedeutung zugenommen haben. Denn wenn der Kontrollbetreuer nicht nur zur Kontrolle berechtigt wird sondern auch – wie in vielen Fällen – gleich auch noch „gegebenenfalls zum Widerruf der Vollmacht“, handelt es sich (spätestens dann, wenn der Widerruf ausgesprochen wird) um einen massiven Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht des Vollmachtgebers (s. Artikel „Der Betreuer kann Vorsorgevollmachten nach billigem Ermessen widerrufen“).
Kann für eine solche Entscheidung, die nicht selten die gesamte Lebensplanung des Vollmachtgebers umwirft und ihn damit massiv in seinem Selbstbestimmungsrecht eingrenzt und beschneidet, letztendlich tatsächlich die Zuständigkeit des Rechtspflegers ausreichen?
Unserer Meinung nach nicht. Eine Entscheidung mit derart weitreichenden Konsequenzen muss dem Richter vorbehalten sein.
Die Ansicht der Rechtsprechung, nämlich dass der Aufgabenbereich „Widerruf einer Vollmacht“ auf jeden Fall ausdrücklich zugewiesen werden muss, hat sich seit längerem verfestigt und wird auch so praktiziert. Nach dem BGH beinhaltet weder die Anordnung einer Regelbetreuung, noch die einer Kontrollbetreuung die „automatische“ Befugnis, eine Vorsorgevollmacht zu widerrufen. Die Befugnis zum Widerruf einer Vollmacht muss ausdrücklich zugewiesen werden. Und diese ausdrückliche Zuweisung erfordert weiterhin besonders schwerwiegende Gründe. Die Rechtsprechung betont immer wieder, dass für die Eröffnung dieses Aufgabenkreises hohe Anforderungen zu stellen sind. Nur dann, „wenn das Festhalten an der erteilten Vorsorgevollmacht eine künftige Verletzung des Wohls des Betroffenen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und in erheblicher Schwere befürchten lässt und mildere Maßnahmen nicht zur Abwehr eines Schadens für den Betroffenen geeignet erscheinen“ darf dieser Aufgabenkreis für den Betreuer eröffnet werden. (Beschluss BGH v. 28.07.2015, AZ: XII ZB 674/14).
Die Berechtigung eines Kontrollbetreuers, eine Vollmacht widerrufen zu dürfen, ist Ultima Ratio – erst dann, wenn alle anderen milderen Maßnahmen nicht zielführend sind, ist dieses Vorgehen verhältnismäßig.
Um diese strengen Voraussetzungen unter allen rechtlichen Gesichtspunkten aber auch angemessen prüfen und beurteilen zu können, ist der Richtervorbehalt zu fordern. Denn der Eingriff in die Rechte des Betroffenen, der durch den Widerruf einer Vorsorgevollmacht durch einen Betreuer verursacht wird, muss sich am Grundrechtsschutz messen lassen und hat deshalb  richterliche „Aufmerksamkeit“ verdient.

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