Der Lebensabend einer älteren Dame, die durch Vollmachtmissbrauch in die gesetzliche Betreuungsmaschinerie gerät – ein Beispiel

Ein besonders bedauerlicher und würdelos verlaufender Betreuungsfall in Verbindung mit Missbrauch einer Vorsorgevollmacht wurde unserer Stiftung zugetragen.

Eine ältere Dame, die ihr Leben lang unabhängig und selbstbestimmt als engagierte Ärztin gearbeitet hatte, hatte einer „Freundin“ für den Fall, dass die aufgrund einer Krankheit oder in hohem Alter ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst bestimmen kann, eine umfassende Vollmacht erteilt und sie um dieses „Bündnis“ zu besiegeln darüber hinaus mittels Testament zu ihrer Alleinerbin eingesetzt. Die ältere Dame erwartete, dass sie von dieser Freundin in ihrer eigenen Wohnung oder im Falle einer schwerwiegenden Gebrechlichkeit in Haus der Freundin in einer Einliegerwohnung lebend liebevoll umsorgt werden würde.

Im Alter von 80 Jahren wurde sie von der Enkelin ihres verstorbenen Ehemannes ein letztes Mal in ihrer eigenen Wohnung besucht. Zu diesem Zeitpunkt war sie schon etwas vergesslich, unterhielt sich aber lebhaft mit der Enkelin und erzählte, dass sie demnächst für eine Operation ins Krankenhaus müsse, danach werde sie sich wieder melden. Im Anschluss daran konnte die Enkelin ihre Großmutter über ein halbes Jahr lang nicht mehr erreichen. Da sie ihrer Enkelin keine Kontaktdaten der bevollmächtigten „Freundin“ gegeben hatte, nahm es einige Zeit in Anspruch, bis diese die Bevollmächtigte ausfindig machen konnte. Sie rief die Bevollmächtigte an um sich nach dem Verbleib ihrer Großmutter zu erkundigen. Die Bevollmächtigte war sehr erschrocken über diese Kontaktaufnahme und teilte schließlich mit, dass sie die Dame in eine sog. Demenz-WG verbracht hatte, da sie selbst mit der inzwischen erforderlichen Pflege überfordert war. Schlussendlich fand die Enkelin ihre Großmutter, die zeitlebens in gehobenem Lebensstil – den sie sich aufgrund ihres Vermögens bequem leisten konnte – gelebt hatte, in einer schäbigen Wohnung. In dieser Wohnung bewohnte sie ein winziges Zimmer unter erbärmlichen Verhältnissen und in verwahrlostem Zustand. Es waren nur wenige persönliche Dinge vorhanden.
Sie empfing ihre Enkelin mit den Worten „ich wusste dass du mich finden wirst“.
Nachdem die Bevollmächtigte angesichts dieser schrecklichen Umstände zur Rede gestellt wurde erklärte diese abfällig, dass die Zeiten, in denen Frau Doktor privilegiert gelebt habe, vorbei seien.
Nachdem die Enkelin von der Bevollmächtigten endlich die Schlüssel zu der immer noch auf Kosten der Vollmachtgeberin gehaltenen Wohnung erhalten hatte, musste sie feststellen, dass die Wohnung „geplündert“ war. Es fehlten Schmuck, wertvolle Möbel, Geschirr und auch mehrere tausend Euro Bargeld, das die Großmutter schon immer zu Hause aufbewahrte, waren nicht mehr zu finden. Sie wandte sich sofort an die zuständige Betreuungsbehörde um das Verhalten der Bevollmächtigten zur Kenntnis zu bringen und beantragte beim Betreuungsgericht, selbst als Betreuerin für die Großmutter eingesetzt zu werden um so schnell wie möglich angemessen für sie sorgen zu können.
Der Antrag der Enkelin, zur Betreuerin bestellt zu werden und die Vollmacht zu widerrufen wurde vom Betreuungsgericht ignoriert. Es begann ein zermürbendes Verfahren, in dem die Enkelin und der Wunsch der Großmutter, dass diese durch eine neue von ihr unterzeichnete Vollmacht zur Regelung ihrer Angelegenheiten befähigt werde, von allen beteiligten Stellen ignoriert wurden bzw. bestritten wurde. Letztendlich wurde eine Betreuung durch einen Rechtsanwalt eingerichtet, nachdem die Enkelin auf Grund von Indizien angezeigt hatte, dass die Bevollmächtigte von der Betroffenen eine Summe in Höhe eines fünfstelligen Betrages unterschlagen hatte. Sie wurde von der eingesetzten Kontrollbetreuerin, welche später die gesamte Betreuung zugewiesen bekam, aufgefordert, von der Vollmacht zurückzutreten. In dem von der Enkelin eingeleiteten Strafverfahren wurde die ehemalige Bevollmächtigte von der gerichtlich bestellten Betreuerin entlastet.

Die Betroffene wurde in einer anderen Demenz-WG untergebracht, in der sie besser versorgt wurde. Wieder wurde die Enkelin darüber nicht informiert und sie musste ihre Großmutter erneut über polizeiliche Meldeauskunft suchen.
Letztendlich wurde die Enkelin, die sich, nachdem sie sie gefunden hatte, liebevoll um die Großmutter kümmerte, sie mehrmals wöchentlich besuchte und sie zu liebgewonnenen Ausflügen abholte, von den Mitarbeitern der Einrichtung erst argwöhnisch beäugt, dann zunehmend feindselig behandelt. Besonders durch ihre berechtigte Kritik bezüglich des würdelosen Umgangs mit der Betroffenen und der mangelhaften Qualität der Pflege durch das Personal machte sie sich wohl unbeliebt. Ihre Besuche und die Aktivitäten mit der Betroffenen wurden sukzessive massiv eingeschränkt und reglementiert. Es wurde für die Betroffene trotz ihrer guten Vermögenssituation immer weniger „Taschengeld“ für die „überflüssigen“ und „nicht ihrem Zustand entsprechenden“ Ausflüge zur Verfügung gestellt. Der Betreuer stellte in Aussicht, ein Umgangsverbot für die Enkelin auszusprechen. Die heiminternen Veranstaltungen und Zerstreuungen wären ausreichend. Außerdem wurde eine kostenpflichtige Kontaktperson (eine Bekannte des Betreuers), die der Betroffenen „Gesellschaft“ leisten sollte, engagiert.
Die inzwischen jahrelangen und mit allen Mitteln versuchten Bemühungen der Enkelin, die Betreuung der Betroffenen übertragen zu bekommen, gingen allesamt ins Leere.
Nach dem Tod der vermögenden Großmutter ist bis jetzt ein Armenbegräbnis für diese vorgesehen. Eine würdige Bestattung im Familiengrab bedeutet höhere Kosten. Diese Kosten freiwillig zu übernehmen wird den Erben überlassen werden. Die zukünftige Erbin ist laut Testament immer noch die vormals eingesetzte Vorsorgebevollmächtigte. Wie wird sie sich entscheiden?

Dieser Fall zeigt, wie das Wohlergehen und die Wünsche eines Betroffenen, die Favorisierung der Angehörigen und der Schutz der Familie unter dem Deckmantel einer gesetzlichen Betreuung missachtet werden können. Darüber hinaus wird an diesem Beispielfall klar, dass es im Rahmen einer rein nach gesetzlichen Vorschriften geführten Betreuung durch einen fremden Berufsbetreuer möglich ist, den bisher geführten Lebensstil einer Betroffenen, der zeitlebens Eigenverantwortung und Selbstbestimmung besonders wichtig war, zu ignorieren und sich deren Vermögens zu bedienen . Ebenso zeigt er die Hilflosigkeit von Angehörigen, die mit ihrem Wunsch, Betroffene zu unterstützen und ihnen einen angemessenen Lebensabend zu ermöglichen, kein Gehör und keine angemessene Rechtsprechung finden.

Darüber hinaus verdeutlicht dieser Fall, wie wichtig es ist, sich sowohl bezüglich der Auswahl eines Bevollmächtigten als auch hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung einer Vollmacht individuell beraten zu lassen, so dass Vollmachtmissbrauch im Rahmen des Möglichen verhindert werden kann.

12.09.2019

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