Der Betreuer kann Vorsorgevollmachten nach „billigem Ermessen“ widerrufen

Wie in unseren Artikeln schon mehrfach dargestellt, stellt der Widerruf einer Vorsorgevollmacht durch einen (Kontroll-)Betreuer einen massiven, nicht mehr rückgängig zu machenden Grundrechtseingriff auf Seiten der Betroffenen (Vollmachtgeber und Bevollmächtigter) dar. Durch den Widerruf erlischt die Vollmacht, sie kann nicht rückwirkend wieder „hergestellt“ werden. Insbesondere kann der Betreuer keine neue Vorsorgevollmacht für den Vollmachtgeber erstellen. Dies würde eine unzulässige Übertragung von Betreuerpflichten auf Dritte bedeuten. Die Betroffenen selbst sind dazu oft aber auch nicht mehr in der Lage, da sie inzwischen geschäftsunfähig geworden sind.
Natürlich soll nicht in Abrede gestellt werden, dass es Fälle geben kann, in denen der Bevollmächtigte den Vollmachtgeber in eigenmächtiger, abredewidriger Art und Weise in Ausübung der Vollmacht schädigt. Dann kann der Vollmachtwiderruf wichtig und notwendig sein, um so den Vollmachtgeber vor dem Bevollmächtigten zu schützen.
Allerdings erleben wir in der Praxis häufig Fälle, in denen es eben nicht gerechtfertigt und notwendig ist, gegen den ursprünglich vom Vollmachtgeber durch die Erstellung der Vollmacht zum Ausdruck gebrachten Willen zu verstoßen, indem die Vollmacht durch einen Betreuer zu Fall gebracht wird. Es ist mehr als bedenklich, dass Betreuer ihre eigenen Vorstellungen bezüglich der vermeintlich besten Vertretung und Versorgung des Vollmachtgebers durchsetzen, indem sie – wenn der Aufgabenkreis, der sie dazu berechtigt, übertragen wurde – ohne weitere gerichtliche Überprüfung Vollmachten widerrufen können. Betreuern solche weitreichenden Gestaltungsmöglichkeiten in letztendlich eigener Verantwortung an die Hand zu geben, die sie „nach billigem Ermessen“ mit endgültiger Wirkung einsetzen können ist unserer Meinung nach falsch und führt oft für die Betroffenen zu unerträglichen Ergebnissen
Eine gerichtliche Überprüfung findet nämlich nur im Rahmen der Frage statt, ob der Betreuer grundsätzlich den Aufgabenkreis „Widerruf von Vorsorgevollmachten“ gesondert zugewiesen bekommt. Die Rechtsprechung betont immer wieder, dass für die Eröffnung dieses Aufgabenkreises hohe Anforderungen zu stellen sind, nur dann, „wenn das Festhalten an der erteilten Vorsorgevollmacht eine künftige Verletzung des Wohls des Betroffenen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und in erheblicher Schwere befürchten lässt und mildere Maßnahmen nicht zur Abwehr eines Schadens für den Betroffenen geeignet erscheinen“ darf dieser Aufgabenkreis für den Betreuer eröffnet werden. (Beschluss BGH v. 28.07.2015, AZ: XII ZB 674/14). Ab dem Zeitpunkt der Übertragung dieses Aufgabenkreises ist der Betreuer dann aber frei in seiner Entscheidung, ob er die Vollmacht widerruft oder nicht. Er entscheidet nach „billigem Ermessen“. Da es sich bei Vorsorgevollmachten in der Regel rechtlich um ein einfaches „Auftragsverhältnis“ handelt muss kein wichtiger Grund für den Widerruf angegeben werden. Der Betreuer kann aufgrund seiner Rechtsstellung im Außenverhältnis als gesetzlicher Vertreter des Betroffenen genauso handeln wie dieser. Wenn der Vollmachtgeber also jederzeit zum Widerruf der Vorsorgevollmacht (ohne Angabe von Gründen, bzw. ohne Vorliegen wichtiger Gründe) berechtigt ist, dann ist auch der Betreuer in gleicher Weise dazu berechtigt. Auch deshalb ist es so wichtig, bei der Erstellung einer Vollmacht fachmännischen Rat einzuholen, denn evtl. Widerrufsbeschränkungen könnten mit in den Text aufgenommen werden.
Den Betroffenen bleibt in einem solchen Fall nur noch die Möglichkeit, Beschwerde einzulegen. Aber auch wenn im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens eventuell gerichtlich festgestellt wird, dass die Zuweisung dieses Aufgabenkreises an den Betreuer (oder sogar die gesamte Betreuerbestellung insgesamt) aufgehoben werden muss, führt dies nicht dazu, dass der Widerruf der Vollmacht als nichtig anzusehen ist und sie wieder ihre ursprüngliche Wirkung entfaltet. Sie ist und bleibt mit dem Widerruf erloschen.

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