Betreuung trotz Vorsorgevollmacht / Freier Wille / Einsichtsfähigkeit

Wenn er Betroffene der Einrichtung einer Betreuung nicht zustimmt, ist vom Gericht neben der Notwendigkeit einer Betreuung immer zu prüfen, ob die Ablehnung durch den Betroffenen auf seinem freien Willen beruht. Dies gilt auch dann, wenn eine Betreuung für den Betroffenen objektiv vorteilhaft wäre.

BGH Beschl. v. 14.03.2012 – XII ZB 502/11

Diese Entscheidung zeigt deutlich, dass der „freie Wille“ des Betroffenen im Betreuungsrecht zwar gesetzlich verankert und damit unbedingt beachtlich ist, und wie sorglos allerdings von manchen Betreuungsgerichten damit umgegangen wird. Das durch Sachverständige beratene Gericht hat festzustellen, ob der Betroffene trotz seiner Krankheit noch zu einer freien Willensbestimmung in der Lage ist.

In dem oben genannten Fall ging es um eine ältere Dame, die an Alzheimer leidet. Durch eine umfassende Vorsorgevollmacht hatte sie ihren Sohn zur Wahrnehmung ihrer Angelegenheiten beauftragt. Dieses Vorgehen entsprach ihrem ausdrücklich erklärten Willen, sich von ihrem Sohn vertreten zu lassen, er sollte sich um ihre Belange kümmern.

Trotzdem kam es – von wem auch immer – vor Gericht zur Anregung einer Betreuung. Die ältere Dame wurde vom Gericht in ihrer Wohnung angehört. Bei der Anhörung war ein Amtsarzt mit dabei, der die Dame während des Anhörungstermins „untersucht“ hatte und anschließend in einem kurzen „Amtsärztlichen Zeugnis“ festgestellt hatte, dass eine Betreuungsbedürftigkeit vorläge.

Am nächsten Tag wurde für sie vom Gericht eine Betreuerin für umfassende Aufgabenkreise bestellt.

Dass die ältere Dame schon lange Zeit davor verfügt hatte, dass ihr Sohn ihr Bevollmächtigter sein sollte – was ja gerade eine evtl. Betreuung ausschließen sollte – wurde nicht beachtet. Die Betroffene hatte bei mehreren Anhörungen geäußert, dass sie ihre Angelegenheiten durch ihren Sohn wahrgenommen haben möchte.

Von den zuständigen Gerichten wurde nur lapidar auf das amtsärztliche Zeugnis Bezug genommen und keine weiteren Feststellungen dazu getroffen, ob die Betroffene trotz ihrer Krankheit dazu in der Lage war, das Für und Wider einer Betreuung zu erkennen. Über die Fähigkeit der Betroffenen, einen eigenen freien Willen zu bilden, war in dem amtsärztlichen Zeugnis überhaupt nichts ausgeführt.

Zwar wurde dann noch ein weiteres Betreuungsgutachten von einer Ärztin erstellt. Diese kam auch zu dem Ergebnis, dass die Betroffene aufgrund Ihrer Demenzerkrankung auf umfassende Hilfe angewiesen ist. Allerdings wurde darin nicht die Frage des Gerichts beantwortet, ob andere Hilfen eine Betreuung entbehrlich machen würden. Die Ärztin hielt es lediglich für erwähnenswert, dass trotz der eingerichteten Vorsorgevollmacht für den Sohn eine gesetzliche Betreuung sinnvoll wäre, da die familiäre Situation dies erfordere. Dass die Betroffene aufgrund ihrer Krankheit nicht mehr in der Lage ist, einen freien Willen zu bilden und die Bedeutung einer Betreuung auf ihre Lebensgestaltung zu erkennen, wurde von der Sachverständigen nicht festgestellt.

Damit durfte ohne entsprechende Feststellungen eine Betreuung gegen ihren ausdrücklich erklärten Willen nicht angeordnet werden.

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