Die Bestellung eines Betreuers ist trotz Vorhandensein einer wirksamen Vorsorgevollmacht dann möglich, wenn der Bevollmächtigte ungeeignet ist, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen.
Die Bestellung eines Betreuers muss verhältnismäßig sein. Das heißt, weniger einschneidende Maßnahmen dürfen nicht in Betracht kommen. Dabei gilt der Grundsatz der Erforderlichkeit auch im Bereich der Vermögenssorge.
Der Begriff „Aufgabenkreis“ i. S. d. § 1896 BGB schließt nicht aus, dem Betreuer ggf. nur eine einzige Angelegenheit zuzuweisen.
BGH, Beschl. v. 07.03.2012 – XII ZB 583/11
Dieser Fall stellt beispielhaft dar, wie wenig reflektiert oft mit Betreuungssachen bei den Gerichten umgegangen wird.
Es ging darum, dass ein Betroffener von einem Bevollmächtigten aufgrund einer umfassenden Vorsorgevollmacht in allen Angelegenheiten schon jahrelang vertreten wurde. Irgendwann hatte ein Gerichtsvollzieher, der bei dem Betroffenen einen Vollstreckungstitel (mit einer Forderung von 39 Euro!) vollstrecken wollte, sich an das Gericht gewandt mit der Anregung, der Betroffene brauche eine Betreuung, da der Bevollmächtigte des Betroffenen eine Bezahlung der 39 Euro und die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verhindere.
Daraufhin wurde durch das Gericht eine Betreuerin für den Betroffenen bestellt mit den umfassenden Aufgabenkreisen der „Vermögenssorge, Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post im Rahmen der übertragenen Aufgabenkreise“ und „Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten und Sozialleistungsträgern“! Die Entscheidung über die Betreuung sollte 7 Jahre später wieder vom Gericht zu überprüfen sein!
Grundsätzlich ist es möglich, trotz einer bestehenden Vorsorgevollmacht einen gerichtlichen Betreuer einzusetzen. Dies hätte allerdings zur Voraussetzung, dass der Bevollmächtigte ungeeignet ist, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen. Insbesondere träfe das dann zu, wenn dadurch eine konkrete Gefahr für das Wohl des Betroffenen zu befürchten wäre.
Der BGH hat hier festgestellt, dass die mit dem Fall befassten Gerichte sich lediglich auf die Feststellung beschränkt hatten, dass der Bevollmächtigte die Liquidation eines rechtskräftigen Titels und die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verhindert, bzw. verzögert hatte. Die Gerichte hatten sich aber nicht weiter damit auseinandergesetzt, ob der Bevollmächtigte weiter in irgendeiner Weise ungeeignet ist, die Angelegenheiten des Betroffenen wahrzunehmen. Dafür gab es auch keinerlei weitere Anhaltspunkte. Es wurden auch keine Feststellungen dazu gemacht, ob dem Betroffenen womöglich berechtigte Einwände gegen die Forderung aus dem Vollstreckungstitel in Höhe von 39 Euro zugestanden haben.
Die Einrichtung einer Betreuung, noch dazu mit so umfassenden Aufgabenkreisen wie oben benannt und einer vorgesehen weiteren Überprüfung erst 7 Jahre später (!) war in diesem Fall zum einen nicht erforderlich und zum anderen völlig unverhältnismäßig.