Will man Rechte aus einem Testament geltend machen, trägt man die Feststellungslast dafür, dass ein solches überhaupt errichtet wurde. Den Beweis kann man mit der Vorlage des urschriftlichen Testaments führen. Was ist jedoch, wenn das Testament nicht auffindbar ist, die Urschrift des Testaments also nicht vorgelegt werden kann?
In Ausnahmefällen kann die Erbfolge auch bei einem verschwundenen Testament eintreten. Derjenige, der seine Recht aus dem Testament geltend machen will, muss nämlich lediglich beweisen, dass der Erblasser ein Testament errichtet hat.
Zunächst ist jedoch zu klären, wo sich Testamente üblicherweise befinden.
- In den meisten Fällen befindet sich das Testament im Nachlass des Verstorbenen oder bei Dritten, wie beispielsweise den Erben, in Krankenhäusern, Altersheimen oder bei Notaren. Bei Eintritt des Erbfalles besteht eine Ablieferungspflicht hinsichtlich der Testamente. Diese müssen beim Nachlassgericht abgeliefert werden, §§ 2259, 2300 BGB. Von dieser Ablieferungspflicht sind auch Notare, Verwaltungsbehörden, Konsularbeamte, usw. betroffen. Für den Fall, dass angenommen wird, dass jemand im Besitz eines Testamentes ist und dieses nicht abliefert, stehen dem Nachlassgericht verschiedene Durchsetzungsmöglichkeiten zu. Das Nachlassgericht kann die Person, bei der die Annahme besteht, dass sie im Besitz des Testamentes ist, zwingen, eine eidesstattliche Versicherung über den Verbleib des Testaments abzugeben. Des Weiteren kann das Gericht die Abgabe durch Zwangsgeld oder Zwangsanwendung durchsetzen.
- Weiterhin besteht die Möglichkeit, dass sich das Testament in amtlicher Verwahrung befindet. Testamente und Erbverträge können nämlich bei einem Nachlassgericht in amtliche Verwahrung gegeben werden. Beim Amtsgericht Schöneberg/ Berlin wird eine Hauptkartei für Testamente geführt. Anfragen hinsichtlich der Existenz eines Testamentes sind dorthin zu richten.
- Weiterhin kann sich das Testament auch im Ausland befinden. Im Ausland sind die Testamente im Gegensatz zu Deutschland teils zentral registriert. Eine zentrale Registratur von Testamenten findet man beispielsweise in Italien, Frankreich, den Beneluxstaaten, Spanien, Portugal, Türkei und Zypern.
Ist das Testament in der Tat nicht auffindbar, kann der Erbanwärter andere Beweismittel vorlegen. Der angebliche Erbe muss die Formgültigkeit und den Inhalt des Testaments beweisen. Er muss nicht den genauen Wortlaut beweisen, jedoch den gesamten Regelungsgehalt. Hierzu kann der Erbanwärter beispielsweise Fotokopien, Abschriften, Durchschriften, Blaupausen und Durchdrückungen des verschwundenen Originaltestaments vorlegen. Er kann Zeugen als Beweis benennen, die die Urschrift des Testaments gesehen und gelesen haben. Er kann sogar seine eigene Vernehmung beantragen. Da jedoch in diesen Fällen ein erhebliches Fälschungsrisiko besteht, muss eine besonders sorgfältige Aufklärung der Übereinstimmung der vorgelegten Abschrift/Kopie mit dem Original erfolgen. Es muss in der Regel eine Beweisaufnahme erfolgen.
Ist ein Testament verschwunden, so kann man nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass der Erblasser das Testament selbst vernichtet hat mit dem Willen, es zu widerrufen. Das Testament kann auch versehentlich verloren gegangen sein oder durch einen Diebstahl verschwunden sein. Jedoch sind an den Nachweis, dass der Erblasser das Testament widerrufen wollte und es deshalb vernichtet hat keine übertriebenen Anforderungen zu stellen.
Kann der angebliche Erbe die Errichtung eines Testaments nicht beweisen, geht dies zu seinen Lasten.
Tanja Stier
Rechtsanwältin