Die Patientenverfügung im europäischen Vergleich: Österreich: Patientenverfügungsgesetz 2006

Patientenverfuegung.jpgAufgrund der Rechtsnähe zwischen Österreich und Deutschland soll an dieser Stelle auf die österreichische Regelung etwas ausführlicher eingegangen werden. Nach einer Darstellung der österreichischen Regelung sollen im Nachfolgenden die wesentlichen Unterschiede in der Einordnung und Handhabung der Patientenverfügung zwischen Deutschland und Österreich aufgezeigt werden.

a) Die Struktur des Patientenverfügungsgesetzes
Im Jahre 2006 hat der Österreichische Nationalrat das Patientenverfügungsgesetz (PatVG) verabschiedet, welches am 1. Juni 2006 in Kraft getreten ist. Das Gesetz soll für mehr Rechtssicherheit und Transparenz auf dem Gebiet der Vorausverfügungen sorgen.
Der Österreichische Gesetzgeber definiert die Patientenverfügung in seinem Gesetz als eine „Willenserklärung, mit der ein Patient eine medizinische Behandlung ablehnt und die dann wirksam werden soll, wenn er zum Zeitpunkt der Behandlung nicht einsichts-, urteils- oder äußerungsfähig ist“ (§ 2 I PatVG). Im Ausgangspunkt unterscheidet das Gesetz zwischen verbindlichen und beachtlichen Patientenverfügungen. Unter beachtlichen Verfügungen versteht man alle Verfügungen, welche nicht unter die strengen Auflagen für verbindliche Patientenverfügungen fallen. Sie gelten für den Arzt lediglich als Anhaltspunkt für die Ermittlung des mutmaßlichen Willens des Patienten. Verbindliche Patientenverfügungen hingegen muss der Arzt unter allen Umständen befolgen, was auch die strengen Anforderungen erklärt. Daher müssen gem. § 4 PatVG bei sog. verbindlichen Patientenverfügungen die medizinischen Behandlungen, welche Gegenstand der Ablehnung sind, konkret beschrieben sein oder eindeutig aus dem Gesamtzusammenhang der Verfügung hervorgehen. Weiter muss eine verbindliche Patientenverfügung im Zustand der Einsichts- und Urteilsfähigkeit (§ 3 S. 2 PatVG) nach umfassender ärztlicher Aufklärung (§ 5 PatVG) schriftlich vor einem Rechtsanwalt, einem Notar oder einem rechtskundigen Mitarbeiter abgegeben werden, wobei der Patient über die Folgen der Verfügung sowie die Möglichkeit des jederzeitigen Widerrufs belehrt werden muss (§ 6 PatVG). Außerdem verliert die Verfügung nach fünf Jahren ihre Verbindlichkeit und muss erneuert werden (§ 7 I PatVG). Sofern nun Patientenverfügungen nicht alle Vorraussetzungen der §§ 4 bis 7 PatVG erfüllen, gelten sie als sog. beachtliche Verfügungen. Gem. § 9 PatVG müssen Verfügungen umso mehr beachtet werden, je eher sie die Vorraussetzungen einer verbindlichen Patientenverfügung erfüllen. Unwirksam kann eine Patientenverfügung nur dann werden, wenn sich der Stand der medizinischen Wissenschaft im Hinblick auf den Inhalt der Verfügung seit ihrer Errichtung wesentlich geändert hat (§ 10 I PatVG) oder der Patient seine Verfügung selbst widerruft (§ 10 II PatVG).

b) Unterschiede in der Einordnung und Handhabung der Patientenverfügung zwischen Deutschland und Österreich
Zu erkennen ist, dass das Österreichische Patientenverfügungsgesetz sehr hohe Anforderungen an die Verbindlichkeit der Patientenverfügung stellt. Dies lässt einen deutlichen Unterschied zu dem in Deutschland eingereichten Entwurf des Dritten Gesetzes zur Änderung des Betreuungsrechts erkennen.
Es stellt sich zunächst die Frage, wie das Österreichische Gesetz rechtlich und ethisch zu bewerten ist.
Aus rechtlicher Sicht ist das Gesetz begrüßenswert. Es ist verständlich formuliert und enthält hinsichtlich der Voraussetzungen für die Patientenverfügung klare Aussagen. Dadurch gelingt es dem Gesetzgeber, mehr Rechtssicherheit im Umgang mit Patientenverfügungen für Ärzte, Dritte und Patienten zu schaffen.
Allerdings stellt das Gesetz einen gebührenpflichtigen Akt dar. Ein Patient kann eine verbindliche Verfügung nur unter gebührenpflichtigen Voraussetzungen verfassen. So stellt bereits die zwingende ärztliche Beratung im Vorfeld keine übliche Leistung dar, die von den Krankenkassen übernommen wird.  Der Patient ist daher verpflichtet eine, solche Beratung selbst zu finanzieren. Aber nicht nur die ärztliche Beratung, sondern auch die notarielle Beurkundung ist mit Kosten verbunden, welche sich im Rahmen der vorgeschriebenen Aktualisierung alle fünf Jahre wiederholen. In diesem Zusammenhang ist das Gesetz ethisch und sozialpolitisch betrachtet unausgewogen; je nach finanziellen Möglichkeiten können Menschen verbindliche Patientenverfügungen verfassen oder „nur“ beachtliche.
In Deutschland hat man sich gerade für keine ärztliche Aufklärung im Vorfeld, keine notarielle Beurkundung oder eine regelmäßige Aktualisierung entschieden.  Dies mag in Bezug auf die Unausgewogenheit zwischen arm und reich im österreichischen Gesetz eine Alternative darstellen.

5. Ergebnis
Im Ergebnis kann man festhalten, dass einige europäische Rechtsordnungen sich anders als Deutschland für eine stärkere Formalisierung der Patientenverfügung entschieden haben. Das Gesetz zur Regelung der Patientenverfügung ist in Deutschland bislang noch nicht in Kraft getreten, daher wird es sich erst in der Zukunft zeigen, ob Deutschland mit seinem Weg, Patientenverfügungen zu regeln, auf dem richtigen Weg ist, oder ob es vielleicht doch höherer Anforderungen bedarf.

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