Ausschnitt aus Interview mit Brigitte Zypries (zu verschiedenen Gesetzesvorhaben) in der Berliner Zeitung vom 21.1.2006: Was die Kernpunkte bei der parlamentarischen Debatte um die Regelung zur Patientenverfügung? Zypries: Das Selbstbestimmungsrecht des Menschen muss in jeder Phase seines Lebens respektiert werden. Deshalb darf die Gültigkeit einer Patientenverfügung nicht für bestimmte Arten oder Stadien von Erkrankungen ausgeschlossen werden, etwa für Patienten im Wachkoma, das in der Regel nicht zum Tode führt. Dies hatten einige Abgeordnete gefordert. Das halte ich für falsch und verfassungsrechtlich für nicht vertretbar. Meine Position unterstützt auch der Nationale Ethikrat. Strittig war in der vergangenen Legislatur auch, ob nur schriftliche Verfügungen anerkannt werden oder auch mündliche.
Gibt es eine Annäherung?
Zypries: Ja, die ist sicher möglich. Wir halten es beispielsweise für sinnvoll, Patientenverfügungen schriftlich abzufassen. Dabei muss aber sichergestellt sein, dass auch der mündlich geäußerte Wille nicht unbeachtet bleibt und eine schriftliche Verfügung auch jederzeit mündlich geändert und widerrufen werden kann. Es darf ja nicht sein, dass ein Patient, der krankheitsbedingt nicht mehr schreiben kann, seinen Willen nicht mehr äußern oder ändern kann.
Wieso ist ein Gesetz nötig?
Zypries: Es ist das gute Recht eines Menschen festzulegen, ob und welche Behandlung er im Krankheitsfall haben möchte und zwar auch vorab für einen Zeitpunkt, in dem er nicht mehr entscheiden kann. Viele Menschen sind sehr verunsichert, ob ihr Wille wirklich beachtet wird. Diese Gewissheit soll ihnen das Gesetz geben….
Der HVD wird dazu mit Kooperationspartnern u.a. aus dem Bereich der Wohlfahrtsverbände Ende Februar eine 26 seitige Broschüre „Standard-Patientenverfügung“ herausgeben, die auch weitere Vorsorgeformulare wie Vollmachten, Notfallbogen u.ä. im DIN-A-4-Format enthält. Die Besonderheit ist die begleitend dazu angebotene Beratung durch medizinisch kompetente Fachkräfte und vor allem, dass jedem Vorsorgewillige anschließend auch eine passgenaue Patientenverfügung ausgehändigt werden kann. Dies ist mit Hilfe einer entsprechenden computergestützten Programmierung möglich, an der die "stiftung menschenwürdiges sterben" mitgewirkt hat Im Hinterlegungsfall in der Bundeszentralstelle für Patientenverfügungen ist zudem eine Aktualisierung alle 2 Jahre vorgesehen.„Es ist nicht anzunehmen, dass in der vorgesehenen Patientenverfügungs-Regelung eine Beratung und Aktualisierung gesetzlich normiert wird“, ist sich Gita Neumann vom Humanistischen Verband Deutschlands (HVD) sicher, „insofern tun wir mehr als gesetzlich vorgeschrieben sein wird. Aber ein Gesetz wird eh nur die Rahmenbedingungen festlegen können, die Interpretation und Befolgung des Patientenwillens in der konkreten Situation und als praktische und ethische Herausforderung immer erhalten bleiben.“
In Deutschland scheint die Forderung nach einer generellen Reichweitenbeschränkung auf einen tödlichen Krankheitsverlauf mit dem Ende der Enquetekommission "Ethik und Recht der modernen Medizin" vom Tisch. Ein solches, dort von einigen Abgeordneten gefordertes Gesetz hätte die staatliche Einschränkung des Persönlichkeitschutzes und des Rechtes auf Würde legitimiert – wäre also das genaue Gegenteil zu einer gesetzlichen Verankerung der "Patientenautonomie am Lebensende"; gewesen.
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