Lob und Kritik am neuen Betreuungsrecht

Die Rechtsexperten der bekannten Kester-Haeusler-Stiftung bewerten das neue Gesetz, das
heute in der zweiten Lesung vom Bundesrat beschlossen wurde.
Leitgedanke des neuen Gesetzes ist die Verbesserung des Selbstbestimmungsrechts der
Betroffenen. So sollen Betreuer nur dann als Stellvertreter auftreten dürfen, soweit dies
wirklich erforderlich ist, dabei soll der konkrete Unterstützungsbedarf in den Vordergrund
gestellt und die betroffene Person selbst soll besser informiert und stärker eingebunden
werden.
Die Rechtsexperten begrüßen daher ausdrücklich die im neuen Gesetz aufgenommene
Berichtspflicht für Betreuer, die diese schon innerhalb der ersten drei Monate erfüllen
müssen. Viele Betreute sind nach Verkündung des Betreuungsbeschlusses oftmals von ihren
Betreuern nicht besucht worden. „Pflichtwidrigkeiten des Betreuers können mit dem neuen
Gesetz besser erkannt und vor allem sanktioniert werden“,
Vorstandsvorsitzender der Kester-Haeusler-Stiftung, der auch die Einbeziehung der
Angehörigen im Rahmen der Informationspflicht positiv bewertet, dagegen die großen
Probleme des Betreuungsrechts nach wie vor nicht behoben sieht.
Im Zentrum der Kritik steht die Vergütung der Betreuer über Fallpauschalen, statt auf
Stundenbasis, was das besondere Engagement von Betreuern in einem schwierigen Einzelfall
nicht honoriert.
Auch die Vermögensverwaltung durch Betreuer ist nicht umfassend geregelt worden, sie soll
jetzt modernisiert und grundsätzlich bargeldlos erfolgen. Aber die eigentlichen Probleme
treten auf, wenn es um den Umzug in ein Alten- oder Pflegeheim oder um den Verkauf
von Immobilien geht. Oftmals werden Häuser, die jahrzehntelang in Familienbesitz waren ohne
öffentliche Ausschreibung verkauft, ein von den Rechtsexperten seit Jahren gefordertes
Vorkaufsrecht für Angehörige oder mindestens eine Informationspflicht gegenüber
Angehörigen gibt es auch im neuen Gesetz nicht. Das betrifft auch den Umgang mit Inventar,
Erinnerungsstücken und persönlichsten Gegenständen, die Betreuten oder deren Angehörigen
zumindest angeboten werden sollten. Aber auch hier hat der Gesetzgeber keinen
Regelungsbedarf im Gesetz gesehen.
Ehegatten sollen sich künftig in Gesundheitsangelegenheiten kraft Gesetzes für die Dauer von
drei Monaten vertreten können, wenn sich ein Ehegatte krankheitsbedingt vorübergehend
nicht um seine Angelegenheiten kümmern kann. Hier sehen die Experten vor allem
organisatorische Probleme bei der Mitwirkungspflicht für Ärzte und medizinisches Personal.

Nach wie vor fehlt auch eine neutrale Stelle, an die sich Betreute wegen Problemen wenden
können. „Meistens werden Betreute bei den völlig überlasteten Gerichten gar nicht angehört
und bleiben hilflos sich allein überlassen“, kritisiert das
Forschungsinstituts für Betreuungsrecht der Kester-Haeusler-Stiftung.
Nach Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten und Veröffentlichung im
Bundesgesetzblatt kann das Gesetz am 1. Januar 2023 in Kraft treten.
Die Kester-Haeusler-Stiftung betreibt seit über 30 Jahren empirische Forschung. Ihre
Forschungsergebnisse werden frei zugänglich im Internet dargestellt. Unzählige Anfragen und
Zuschriften von Betroffenen erreichen das Institut täglich. Die Auswertung der Anfragen
durch Rechtsexperten gewährleistet eine Forschung mit konkretem Praxisbezug. Damit ist das
Institut für Betreuungsrecht einmalig in Deutschland.

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