Die von der Kester-Haeusler-Stiftung derzeit laufende internationale Forschungsumfrage zu der Frage, ob für Angehörige ein Vorkaufsrecht besteht, wenn Immobilien des Betreuten durch den Betreuer verkauft werden, hat bisher zu folgendem Zwischenergebnis geführt:
In allen bisher auf unserer Seite dargestellten Ländern gibt es ein Vorkaufsrecht grundsätzlich nicht. Wenn Immobilien innerhalb eines Betreuungsverfahrens durch den Betreuer veräußert werden sollen, sind zwar teilweise weitergehende Prüfungen und Genehmigungen zur Feststellung von konkreten erforderlichen Voraussetzungen zum Immobilienverkauf durch die Betreuungsgerichte notwendig. Ein gesetzliches Vorkaufsrecht existiert allerdings nirgends.
Im Einzelnen:
In Belgien schreibt das Gesetz vor, dass zur Veräußerung von Immobilien aus dem Vermögen des Betreuten eine Spezialvollmacht (deren Erteilung nur unter engen Voraussetzungen möglich ist) durch den Richter erteilt werden muss. Beispielsweise kann für die Veräußerung der persönlichen Wohnung des Betreuten diese Spezialvollmacht nur dann erteilt werden, wenn schwerwiegende Gründe die Veräußerung rechtfertigen (Art. 499/9, 2 Belgisches Bürgerliches Gesetzbuch). Innerhalb dieses Verfahrens ist zu prüfen, ob eventuell ein vertragliches Vorkaufsrecht für Angehörige vereinbart wurde und ob dieses Vorkaufsrecht von den Angehörigen ausgeübt wird.
In Tunesien besteht kein Vorkaufsrecht für Angehörige. Als gesetzlich eingesetzter Betreuer kann dieser unter gerichtlicher Aufsicht nach Schätzung durch einen Sachverständigen die Immobilie verkaufen.
In Chile muss für die betreuungsrechtliche Veräußerung einer Immobilie ebenfalls gerichtlich genehmigt werden, ein Vorkaufsrecht der Angehörigen oder eine sonstige Einbindung der Angehörigen in die Veräußerung erfolgt nicht. Die Veräußerung erfolgt zwingend durch eine öffentliche Versteigerung.
In Italien existiert zugunsten von Angehörigen ebenfalls kein grundsätzliches Vorkaufsrecht, es kann aber ein vertragliches Vorkaufsrecht vereinbart werden. Der Immobilienveräußerung durch den Betreuer muss aber ebenfalls ein gerichtliches Genehmigungsverfahren vorausgehen, in dem auch einzelne, familienspezifische Umstände (Wohnverhältnisse) berücksichtigt werden können. Diese Umstände können in die Abwägung, ob ein Verkauf der Immobilie genehmigt wird oder nicht, miteinfließen.