Betreuungsrecht in Quebec

Kanada ist als Bundesstaat verfasst und besteht aus 10 Provinzen und 3 Territorien. Die Gesetzgebungskompetenz für zivilrechtliche Sachverhalte, wozu insbesondere auch die Bestimmungen bzgl des Betreuungsrechts gehören, steht dabei den Provinzen und Territorien zu. Der vorliegende Text nimmt im Folgenden jedoch nur auf das in der Provinz Quebec geltende Recht (Civil Code of Quebec) Bezug.
Die Power of Attorney, Art.2130-2165 .
Eine umfassende Vollmacht ist hierzulande als Power of Attorney bekannt. Diese können als befristete und unbefristete Vollmachten erteilt werden und sind jederzeit widerrufbar. Ferner kann sich die Vollmacht auf ein einziges Rechtsgeschäft beziehen, wenngleich auch eine umfassende Vollmacht möglich ist. Im letzteren Fall umfasst die Vollmacht jedoch nur die Befugnis zur Durchführung einfacher administrativer Aufgaben („simple administration“), nicht jedoch jene, auch das Eigentum zu veräußern („full administration“). Etwas anderes kann jedoch dann gelten, wenn dies in der Vollmacht bestimmt wird. Im Allgemeinen wird von der Erteilung einer solch weitreichenden Vollmacht jedoch abgeraten und vielmehr eine Power of Attorney für jede einzelne Veräußerung (genaue Angabe des Kaufpreises und der Parteien) empfohlen. Sofern der Eigentümer selbst nicht mehr geschäftsfähig ist, so handelt für ihn ein rechtlicher Vertreter. Für die Form dieser Power of Attorney existieren grundsätzlich keine speziellen Voraussetzungen.
Eine im Ausland unterzeichnete Vollmacht ist grundsätzlich auch in Quebec wirksam. Gleichwohl sollte zur Sicherstellung der Anerkennung in Quebec beachtet werden, dass die Unterschrift des Vollmachtgebers vom einem Notar oder Rechtanwalt beglaubigt wird. Ferner setzt Artikel 2823 die Bestätigung der Identität durch einen Notar oder Rechtsanwalt voraus.
Das Mandate in Anticipation of Inaptitude
Ferner besteht die Möglichkeit, dass im Falle des Eintritts der Geschäftsunfähigkeit, einer anderen Person eine Vollmacht erteilt wird. Diese Art der Vollmacht ist in Quebec unter dem Titel des Mandate in the event of incapacity bekannt und wird in den Artikeln 2166 bis 2174 geregelt. Die Erteilung eines Mandate setzt eine notarielle Beurkundung oder die Anwesenheit zweier Zeugen voraus. Bei Letzteren darf es sich jedoch keineswegs um Personen handeln, die ein Interesse an der Erteilung der genannten Vollmacht haben. Aufgrunddessen kommen Verwandte oder in der Vollmacht genannte Personen als Zeugen regelmäßig nicht in Frage. Auch müssen die Zeugen gegebenenfalls bezeugen können, dass der Unterzeichnende zu dem Zeitpunkt der Erteilung als geistig in der Lage erschien, die Wirkungen seiner Vollmachtsgebung zu erkennen.
Auch bei diesem Mandate kann, wie bei der Power of Attorney, zwischen einer umfassenden („full administration“) und einer einfachen Vollmacht („simple administration“) unterschieden werden. Als wesentlicher Unterschied ist jedoch zu beachten, dass das Mandate in den meisten Fällen auch die Befugnis zur Veräußerung von Eigentum umfasst. Auch kann das Mandate jederzeit widerrufen oder abgeändert werden. Dies solange, wie Geschäftsfähigkeit besteht. Sie tritt dann in Kraft, wenn diese vom zuständigen Gericht amtlich anerkannt wurde. Zuvor erteilte Power of Attorneys werden durch diesen Akt unwirksam.
Ferner besteht die Möglichkeit, dass das Mandate mit dem Inhalt erteilt wird, als dass für das persönliche Wohlergehen und Schutz gesorgt werden soll, sofern der Vollmachtgeber dazu selbst nicht mehr in der Lage sein sollte. Wenngleich in der Praxis die mit diesem Mandate ausgestattete Person oft diesselbe ist, der auch die Vollmacht in Bezug auf das Eigentum erteilt wurde, so kann es sich bei diesen natürlich auch um zwei unterschiedliche Personen handeln.
Des Weiteren sollte auch beachtet werden, dass für den Fall des Todes des Bevollmächtigten an die Bevollmächtigung einer anderen Person gedacht werden muss. Auch kann der Bevollmächtigte seine Vollmacht nicht ablehnen, es sei denn, dass er dafür sorgt, dass er durch eine andere Person ersetzt wird. Kann die bevollmächtigte Person nicht ersetzt werden (z.B. weil keine Ersatzperson im Mandate ernannt worden oder diese verstorben ist), so hat der Bevollmächtigte beim Gericht einen Antrag einzureichen, mit dem Ziel, dass dieses einen Curator (siehe unten) bestellt.
Um die Vollmacht in einer rechtlich abgesicherten, alle Umstände berücksichtigenden Weise zu formulieren, wird empfohlen diese vor einem Notar oder Rechtsanwalt zu erstellen. Diese müssen monatlich einen Bericht über die bei ihnen unterzeichneten Mandates an ihre Berufskammern übersenden. Dabei werden nur Informationen bzgl der Person (Name, Adresse, Sozialversicherungsnummer), nicht bzgl des Inhalts übermittelt. Im Falle des Eintritts der Geschäftsunfähigkeit einer Person, wird deshalb auch vorrangig in diesen Registern der Berufskammern nachgeschaut. Dies hat auch den Vorteil, dass das Mandate danach leichter gefunden werden kann.
Fehlen eines Mandates
Sofern kein Mandat erteilt wurde, so ist auf die Bestimmungen der Artikel 256 bis 297 des Civil Code of Quebec zurückzugreifen. Diese nehmen auf die Betreuung von volljährigen Personen Bezug.
Dabei wird, in Abhängigkeit des Grades der Geschäftsunfähigkeit, zwischen verschiedenen Typen der Betreuung und Vertretung unterschieden: dem Curator, dem Tutor to a person of full age und dem Adviser. Sofern eine Person überhaupt nicht in der Lage ist sein Eigentum zu verwalten und sich um sein Wohlergehen zu kümmern, wird ein Curator ernannt. Dieser besitzt die Befugnis sich um alle administrativen Aufgaben zu kümmern, wobei in diesem Fall dazu auch die Möglichkeit der Eigentumsveräußerung oder der hypothekarischen Belastung („full administration“) gehört. Handelt es sich hingegen um eine temporäre oder partielle Unfähigkeit, so wird der Tutor bestellt, der ähnliche Rechten und Pflichten hat wie der Tutor eines Minderjährigen. Ihm steht die Befugnis zu einfache administrative Aufgaben wahrzunehmen („simple administration“), wobei er für die Veräußerung oder Belastung von Eigentumdie Zustimmung des Tutorship Council benötigt. In Einzelfällen ist ferner eine gerichtliche Ermächtigung nötig. Als letzter Fall ist noch an diejenigen Personen zu denken, welche im Allgemeinen in der Lage sind selbstständig ihr Eigentum zu verwalten und sich um ihr Wohlergehen zu kümmern und nur in besonderen Situationen der Hilfe durch Dritte benötigen. In diesen Fällen wird zunächst von einem Gericht ermittelt und bestimmt, bei welchen Aufgaben überhaupt eine solche Hilfe nötig ist. Der Adviser ist dann nur in diesen genau bestimmten Fällen befugt der betroffenen Person zu assistieren.
Die Bescheinigung der Geschäftsunfähigkeit
Bevor es zu der endgültigen Erklärung der Geschäftsunfähigkeit kommt, und dies unabhängig davon ob ein Mandate erteilt wurde oder nicht, muss das Gutachten eines Arztes und das eines Sozialarbeiters vorliegen. Das Mandate muss ferner auch von einem Gericht bestätigt werden. Sofern ein Mandate jedoch nicht erteilt worden ist, so müssen mindestens fünf Familienmitglieder zusammenkommen. Fehlt es an einer solchen Zahl von Familienmitgliedern, so kommen auch nahestehende Freunde oder Bekannte in Betracht. Diese müssen einen Curator/Tutor, sowie 3 Personen (in den meisten Fällen Familienmitglieder) auswählen, welche den Tutorship Council bilden. Die Entscheidung des Tutorship Council wird dann vom Gericht bestätigt. Sofern sich keine drei Personen finden lassen, sei es aufgrund der großen Distanz zwischen den Wohnorten der Familienmitglieder oder aus Desinteresse von Seiten dieser, so kann der Rat in Ausnahmefällen auch aus nur einer Person bestehen. Dafür ist jedoch eine gerichtliche Erlaubnis erforderlich.
Handelt es sich um eine in Deutschland erteilte Erlaubnis bzw um ein dort ergangenes Urteil, durch das ein Vertreter für den Geschäftsunfähigen ernannt wird, so ist nach Artikel 3083 bei einem solchen Conflict of Laws das Recht des Landes entscheidend, in dem die natürliche Person ihren Wohnsitz hat. Auch in diesem Land muss die Person jedoch geschäftsfähig sein. Liegen diese Voraussetzungen vor, so ist dieses Urteil auch in der Provinz Quebec wirksam.
Aufgaben des Tutorship Council
Aufgabe des Tutorship Council (Artikel 233-239) ist es, zu kontrollieren, ob der Curator seine Aufgaben rechtmäßig wahrnimmt (das im Folgenden Gesagte gilt auch für den Tutor). Zu diesem Zwecke müssen sich die Mitglieder mindestens einmal im Jahr treffen, wobei dies auch per Telefon oder Skype möglich ist. Auch ist der Tutorship Council deshalb erforderlich, weil der Curator für bestimmte Aufgaben eine gesonderte Erlaubnis benötigt. Übersteigt der Wert des Eigentums zum Beispiel eine bestimmte Summe (derzeit: CAD $25,000.00), so hat er eine Sicherheit zu leisten, um die Durchführung der Verpflichtungen zu garantieren. Diese kann in der Form einer Haftpflichtversicherung oder einer anderen Sicherheit (zB Pfand, Hypothek) bestehen. Auch muss der Curator einen Jahresbericht an den Tutorship Council und an den Public Curator abliefern. Aus diesem muss hervorgehen, inwiefern für die Sicherheit des Geschäftsunfähigen gesorgt und wie die administrativen Aufgaben gehandhabt wurden. Bei dem Public Curator handelt es sich um die zuständige Institution, zum Schutze nicht geschäftsfähiger Personen. Diese kann in den Fällen als Curator ernannt werden, in denen andere Personen für diese Position nicht infrage kommen, was insbesondere bei älteren Menschen ohne Familie des Öfteren vorkommt. Dabei besteht jedoch nur das Recht der simple administration, vgl. Artikel 261, 262.

Kontrolle der durch Mandates bevollmächtigten Personen
Auch die durch Mandates bevollmächtigten Personen können im Rahmen ihrer Tätigkeit kontrolliert werden. Zwar gibt in diesem Fall, sofern das Mandate gerichtlich bestätigt wurde, keinen Tutorship Council oder andere Berichterstattungspflichten, jedoch kann in Zweifelsfällen der Public Curator tätig werden. Dies erfolgt in der Weise, als dass bei Hinweisen auf Missbrauch, diese staatliche Stelle einen Antrag bei Gericht stellen kann, vgl Artikel 2177. Gibt das Gericht einem solchen Antrag statt, so kann es im Extremfall zur Abberufung des Bevollmächtigten kommen.
Das Einverständnis zur ärztlichen Behandlung
Wie sich aus den Artikeln 11-16 ergibt, so kann grundsätzlich niemand dazu gezwungen werden sich einer bestimmten ärztlichen Behandlung zu unterziehen oder sich in Pflege zu begeben. Dabei kann die Einwilligung ab dem Alter von 14 Jahren selbstständig und rechtswirksam ausgesprochen werden. Eine Ausnahme zu der allgemeinen Einwilligungspflicht besteht in den Fällen, in denen ein Notfall besteht. Ist eine volljährige (auch in Kanada ab 18 Jahren) Person außerstande eine solche Einwilligung zu erteilen, so kann dies durch seinen rechtlichen Vertreter (z.B. Curator)erfolgen. Existiert eine solche Person jedoch nicht, so kann diese Entscheidung auch von dem Ehepartner getroffen werden. Ehepartner in diesem Sinne ist nicht nur der verheiratete Partner, sondern auch jene Person die mit der betroffenen Person in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammenlebt. Fehlt es auch an einem solchen Partner, so kann die Einwilligung durch einen nahestehenden Verwandten oder eine Person mit einem besonderen Interesse erteilt werden.
Sterbehilfe
Auch in Kanada wird die Frage der Sterbehilfe seit Jahren kontrovers diskutiert. Zwar sollte ein entsprechendes Gesetz am 10.Dezember 2015 in Kraft treten, jedoch verzögert sich dies aufgrund einer aktuellen Gerichtsentscheidung um ungewisse Zeit, zumindestens bis Februar 2016. Diese resultiert daraus, dass verschiedene Ärzte den vorgelegten Gesetzesentwurf juristisch bekämpfen. Das folgend Gesagte gilt somit in Bezug auf das im Juni 2014 verabschiedete, aber bis dato noch nicht in Kraft getretene (s.o.), Gesetz.
Legt man den Wortlaut dieses Entwurfs zugrunde, so soll es irreversibel sterbenskranken Personen ermöglicht werden, bei Ärzten Hilfe im Sterben zu suchen. Das neue Gesetz würde jedoch nur für Quebec ansässige Personen gelten. Diese sollen dem Patienten, unter sehr strengen Voraussetzungen, helfen dürfen, schneller von seinem Leid zu erlöst zu werden. Dabei müssen jedoch kumulativ die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein: die betroffene Person muss mindestens volljährig, sich der Entscheidung bewusst und irreversibel sterbenskrank sein. Ferner muss der Patient nachweisbar physische oder psychische Leiden zu ertragen haben, die über ein erträgliches Maß hinausgehen.
Zu beachten ist ferner, dass in dieser Situation eine Stellvertretung nicht möglich ist. Nur der Patient selbst kann einen Arzt um Sterbehilfe bitten. Auch setzt der Sterbenswunsch das Ausfüllen und Unterzeichnen eines dafür eigens aufgesetzten Formulars voraus und muss dieses dann von einem Arzt gegengezeichnet werden. Das Gesetz sieht ferner besondere Möglichkeiten voraus, sofern der Patient den Skripturakt, sei es aufgrund von Analphabetismus oder aufgrund physischer Unmöglichkeit, nicht eigens ausführen kann. Der Wunsch kann jederzeit widerrufen werden. Von Seiten der Ärzteschaft muss beachtet werden, dass der Todeswunsch wirklich dem freien und klaren Geist des Patienten entspringt und nicht durch äußeren Druck entstanden ist. Auch muss die Meinung eines zweiten Arztes eingeholt werden. Wenngleich ein Arzt zu solch einer Hilfe nicht gezwungen werden kann und eine Verweigerung aus Gewissensgründen oftmals vorkommen wird, so hat das Krankenhaus oder die medizinische Stelle eine andere Person ausfindig zu machen, die diesem Wunsch entsprechen kann.
Durch das Inkrafttreten des neuen Gesetzes wird es ferner möglich sein, dass Personen, unabhängig vom Einsetzen des irreversiblen Sterbeprozesses, eine Erklärung in Bezug auf medizinische Hilfe (Advanced Medical Directive, ADM) abgeben können. Eine solche Erklärung kann jedoch nicht auch den Sterbewunsch beeinhalten. Der Wunsch zu sterben kann, wie ausgeführt, nur vom Patienten direkt und nur in der entscheidenden Situation ausgesprochen werden. Die ADM muss vor einem Notar oder vor zwei Zeugen erklärt werden und ist ebenfalls jederzeit widerrufbar. Auch kann diese in einem speziellen Register aufbewahrt und somit der Ärzteschaft jederzeit zugänglich gemacht werden. Zu beachten ist auch, dass die Erklärung eines ADM, ein zuvor erteiltes Mandate in jedem Fall überwiegt, wenngleich die Erklärung auch in der Erteilung eines Mandate enthalten sein kann.
Der vorliegende Text enthält lediglich allgemeine Informationen und erhebt keinen Anspruch auf Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität. Eine individuelle Rechtsberatung bleibt aufgrunddessen in jedem Fall angebracht.

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