Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens bei Verlängerung der Betreuung?

Das Verfahren der Verlängerung der Betreuung ist in § 295 FamFG geregelt. Danach gelten für die Verlängerung grundsätzlich die Vorschriften, die auch für die erstmalige Anordnung der Betreuung gelten. Das heißt, dass die Voraussetzungen der Betreuung (Betreuungsbedürftigkeit, Erforderlichkeit der Betreuung und Eignung des Betreuers) bei der Verlängerung der Betreuung neu geprüft werden müssen und grundsätzlich auch ein neues Gutachten nach §§ 280 FamFG einzuholen ist.
Allerdings bestehen hinsichtlich des Gutachtens bei der Verlängerung der Betreuung Verfahrenserleichterungen. Ob von einem erneuten Gutachten abgesehen werden kann, oder ein solches noch einmal einzuholen ist, wird im Einzelfall entschieden und hängt von verschiedenen Faktoren ab:
Von der Einholung eines neuen Gutachtens nach §§ 280 ff FamFG kann dann abgesehen werden, wenn sich nach der persönlichen Anhörung des Betreuten und einem ärztlichen Zeugnis ergibt, dass sich der Umfang der Betreuungsbedürftigkeit offensichtlich nicht  verändert hat. Das Gericht darf also keine Zweifel daran haben, dass die erforderlichen Voraussetzungen, die für die erstmalige Anordnung der Betreuung vorlagen, immer noch unverändert gegeben sind.
Voraussetzung hierfür ist aber unbedingt, dass im Verfahren zur erstmaligen Betreuerbestellung ein hinreichend aussagekräftiges, ausführliches Sachverständigengutachten vom Gericht eingeholt wurde.
Erforderlich ist die Einholung eines neuen Gutachtens weiterhin natürlich auf jeden Fall  dann, wenn sich das Krankheitsbild des Betroffenen erheblich verändert hat oder wenn das Gericht aufgrund des persönlichen Eindrucks des Betreuten eine erhebliche Verbesserung des Gesundheitszustandes annimmt, das ärztliche Zeugnis hingegen nicht.
Außerdem ist die Einholung eines neuen Gutachtens in der Regel dann erforderlich, wenn die Betreuung gegen den natürlichen Willen des Betroffenen verlängert werden soll. Denn in diesem Fall muss ärztlich festgestellt werden, ob der Betroffene tatsächlich nicht in der Lage ist, einen freien Willen zu bilden (Einsichtsunfähigkeit).
Das ärztliche Gutachten muss den formalen Anforderungen des § 280 FamFG genügen.

Vom ärztlichen Gutachten zu unterscheiden ist das ärztliche Zeugnis.
Erklärt das Gericht ein ärztliches Zeugnis für ausreichend, soll der Zeugnisaussteller ebenfalls Arzt für Psychiatrie oder Arzt mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie sein. Auch in diesem Fall muss der Betreute von dem Arzt untersucht und befragt werden. Das Zeugnis muss mindestens knappe Angaben zur Vorgeschichte, zum Sachverhalt, zu den Untersuchungsergebnissen und zur Beurteilung enthalten. Soll das ärztliche Zeugnis Angaben zur Einsichtsunfähigkeit des Betroffenen machen, müssen aus dem Zeugnis die diesbezüglichen Anknüpfungstatsachen hervorgehen.
Das Gericht muss die Erstellung dieses ärztlichen Zeugnisses selbst in Auftrag geben (Amtsermittlungspflicht), es darf nicht den Betreuten oder einen Dritten auffordern, ein solches Zeugnis vorzulegen.

Susanne Kilisch
Wiss. Mitarbeiterin

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