Schutz des zukünftigen Erben vor nachlassreduzierenden Handlungen des Erblassers

Potentielle Erben stehen oft vor dem Problem, dass ihre Eltern oder verwitwete Elternteile objektiv nicht nachvollziehbare Zuwendungen an (fremde) Dritte verfügen. Nicht selten handelt es sich bei diesen Dritten um „gute Freunde oder Bekannte“, die sich später als „Erbschleicher“ entpuppen. Für die gesetzlichen Erben stellt sich deshalb die Frage, ob und wie sie den Erblasser im Voraus rechtlich davon abhalten können, den zukünftigen Nachlass zu „verschwenden“. Das praktische Problem besteht in diesem Zusammenhang meist darin, ein berechtigtes Interesse des zukünftigen Erben darzulegen. Denn grundsätzlich besteht nach der Rechtsprechung zunächst einmal vor allem ein berechtigtes Interesse des Erblassers, nicht bereits zu Lebzeiten in einen Rechtsstreit mit den potentiellen Erben über den zu erwartenden Nachlass hineingezogen zu werden. Das „Gefeilsche“ um Hab und Gut soll dem Erblasser so gut es geht erspart werden (NJW – RR 96,328). Deshalb findet in jedem Fall eine Abwägung statt zwischen den Interessen des Erblassers und den evtl. berechtigten Interessen des Erbanwärters.

Teil I

So wurde in einem Fall z. B. das Einsichtsrecht  eines Kindes in das Grundbuch der (noch lebenden) Erblasserin bejaht.  Dabei ging es darum, dass eine Tochter von Dritten erfahren hatte, dass ihre 92jährige, in einem Pflegeheim wohnende Mutter, ihren umfangreichen Grundbesitz veräußert hatte. Um hierüber genauere Informationen zu erhalten, wollte die Tochter Einblick in das ehemalige Grundbuch der Mutter haben. Hierfür musste die Tochter ein berechtigtes Interesse darlegen, welches sich in diesem Fall aus dem Unterhaltsrecht ergab. Denn die Tochter könnte evtl. als einziges Kind der Mutter damit rechnen, dass sie – nachdem das Vermögen der Mutter irgendwann aufgebraucht sein würde – dieser gegenüber unterhaltspflichtig werden würde (NJW – RR 98,736).

Teil II

In einem anderen Fall wurde das berechtigte Interesse eines Pflichtteilsberechtigten bejaht. Dieser beantragte die Feststellung, ob bestimmte Ereignisse oder Vorfälle zwischen Erblasser und Pflichtteilsberechtigtem dazu führen können, das Pflichtteilsrecht zu verlieren (Feststellung der Unwirksamkeit einer Pflichtteilsentziehung).  Auch hier musste eine Abwägung der beiderseitigen Interessen stattfinden. Der BGH hat hierzu klargestellt, dass das Interesse des Pflichtteilsberechtigten an der Feststellung überwiegt, da dieser grundsätzlich dazu in der Lage sein muss, mit einem Dritten einen Vertrag gem. § 311 b Abs. 5 BGB über seinen Pflichtteil zu schließen, oder einen Pflichtteilsverzichtsvertrag gem. § 2346 Abs. 2 BGB einzugehen. Hierfür muss er wissen, ob er nach dem Erbfall seinen Pflichtteil bekommt oder ob er ihm durch den Erblasser durch eine wirksame Pflichtteilsentziehung  womöglich entzogen werden kann (BGH Urt. v. 10.03.2004, IV ZR 123/03).

Teil III

Beim gemeinschaftlichen Testament der Ehegatten, in dem die Kinder als Schlusserben eingesetzt sind, kommt den Kindern vor dem Tod des erstversterbenden Elternteils keine gesicherte Rechtsposition, die im Wege eines Prozesses durchgesetzt werden könnte, zu. Denn die Eltern sind zu diesem Zeitpunkt noch in der Lage, dieses Testament aufzuheben, zu ändern etc.

Beim gemeinschaftlichen Testament nach dem Tod des Erstversterbenden ist streitig, ob ein Schlusserbe (i. d. R. Kind) eine Rechtsposition hat, die er gerichtlich geltend machen kann. Denn zum einen ist der überlebende Ehegatte an die wechselseitigen Verfügungen aus dem gemeinschaftlichen Testament gebunden. Dies spricht dafür, dem Schlusserben eine gesicherte Position zuzusprechen.  Zum anderen wird ein berechtigtes Interesse des Schlusserben dann zugelassen,  wenn unklar ist ob das gemeinschaftliche Testament wirksam ist und wenn der überlebende Ehegatte das gemeinsame Testament wirksam angefochten oder widerrufen hat.

Teil IV

Gemäß den §§ 2287, 812 ff BGB können Vertragserben oder Schlusserben solche Schenkungen, die der Erblasser vorgenommen hat, um sie zu beeinträchtigen, nach dessen Tod zurückfordern. Ein berechtigtes Interesse der Erbanwärter, die Schenkungen schon vor dem Tod des Erblassers zurückzufordern besteht nicht. Denn zum einen besteht der Anspruch aus § 2287 BGB vor dem Tod des Erblassers noch gar nicht, außerdem könnte der Erblasser immer noch von dem Erbvertrag zurücktreten oder die vorgenommene Schenkung mit entsprechenden Gründen selbst wieder rückgängig machen.

Im Übrigen muss auch hier wieder beachtet werden, dass die Rechtsprechung es weitgehend ablehnt, den Erblasser noch zu Lebzeiten Prozessen bezüglich seines eigenen Nachlasses auszusetzen.

Themen
Alle Themen anzeigen