BGH, Beschl. v. 12.09.2012, Az IV ZR 177/11
Wie schwierig es sein kann, einen Fall von Erbschleicherei/Erbunwürdigkeit feststellen zu lassen, zeigt ein Fall, mit dem das Kammergericht in Berlin-Schöneberg befasst war.
Teil I
Der sehr vermögende Erblasser war seit Geburt schwer krank. Er litt an einem offenen Rücken und hatte einen Wasserkopf, dazu war er Diabetiker und hatte seit Jahren ein massives Alkoholproblem.
Im Jahr 1996 hatte der Erblasser hatte die Beklagte in einem “Etablissement“, in dem diese zeitweise arbeitete, kennengelernt. Bis Ende 2001 wohnte er zusammen mit seiner Mutter und einer Schwester in einer Wohnung.
Mit notariellem Erbvertrag vom September 2000 setzte er die Beklagte zur Alleinerbin ein. Eine Gegenleistung wurde in dem Vertrag nicht vereinbart. Diesen Erbvertrag hat der Erblasser im Januar 2001 zwar angefochten, trotzdem zog er im Dezember 2001 bei der Beklagten ein. In der Wohnung der Beklagten lebten zu der Zeit noch deren Ehemann und Sohn. Nach dem Einzug wurde die Beklagte im Dezember 2001 ein zweites Mal in einem notariellen Erbvertrag – wieder ohne Gegenleistung – als Alleinerbin eingesetzt.
Im Mai 2003 verstarb der Erblasser unter ungeklärten Umständen in der Wohnung der Beklagten, wo er sich zu diesem Zeitpunkt mit zwei Bekannten der Beklagten allein aufhielt und weiterhin mit Alkohol versorgt wurde.
Ein gegen die Beklagte und weitere Personen geführtes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Mordes wurde nach wiederholter Einstellung und Wiederaufnahme des Verfahrens mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt.
Teil II
Die Mutter und Schwester des Erblassers fochten in der Folge den Erbvertrag vom Dezember 2001 an. Weiter wollten sie die Erbunwürdigkeit der Beklagten feststellen lassen. Die Beklagte dagegen erhob Widerklage mit dem Antrag, ihr Erbrecht ausdrücklich festzustellen.
Die Klage der Mutter und Tochter wurde in der ersten und zweiten Instanz abgewiesen und das Erbrecht der Beklagten bestätigt. Hiergegen wendeten sich die Klägerinnen an den BGH, der das Berufungsurteil des Kammergerichts mit sehr deutlichen Worten aufgehoben hat. Der BGH kritisierte, dass die Kammer die Klage abgewiesen hatte, weil die Erbunwürdigkeit der Beklagten nicht festgestellt werden könne und das Gericht entsprechenden Hinweisen nicht nachgegangen sei. Dabei hatten die Klägerinnen der Sache nach fundiert vorgetragen, dass sich die Beklagte und ihr Ehemann für den vermeintlichen Todestag ein Alibi verschafft habe und der Erblasser an diesem Tag so großzügig mit Alkohol versorgt wurde, dass er schon gegen Mittag volltrunken und damit u. a. in seiner Atmungsfähigkeit schwer eingeschränkt war. Die Klägerinnen trugen vor, der Erblasser sei von der Beklagten bewusst in diesen Zustand versetzt worden, um im Folgenden ein Ersticken durch „leichtes Bedecken seiner Atmungsorgane“ zu ermöglichen.
Vom Berufungsgericht wurde zu diesem Vortrag der Klägerinnen jedoch kein Beweis erhoben. Damit habe das Gericht auf Gewährung des rechtlichen Gehörs der Klägerinnen verstoßen. Das Zivilgericht dürfe sich nicht hinter die Auffassung zurückziehen, dass die Zeugen ja schon im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren erfolglos vernommen wurden, sondern muss allen Hinweisen nachgehen. Denn schließlich war es nach den getroffenen ärztlichen Feststellungen nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der Erblasser eines gewaltsamen Todes gestorben ist, vielmehr bestand nach sämtlichen rechtsmedizinischen Untersuchungen zumindest die Möglichkeit eines gewaltsamen Todes durch Ersticken.
Mit diesem Beschluss des BGH haben die Klägerinnen also wenigstens erreicht, dass sie vor dem Kammergericht einen erneuten Versuch machen können, die Erbunwürdigkeit der Beklagten feststellen zu lassen und damit deren Erbrecht zu Fall zu bringen.
Erbunwürdigkeit / Tötung der Erblasserin
Das OLG Koblenz (Urteil v. 16.01.2004 – 8 U 1467/02) hatte einen besonders krassen Erbrechtsfall zu entscheiden. Dabei ging es darum, dass ein Ehemann, der seine Ehefrau ermordet hatte und deswegen strafrechtlich verurteilt wurde, diese dann auch noch beerben wollte.
Die Eheleute hatten ein gemeinsames Testament errichtet, in dem sie sich wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt hatten.
Die gemeinsame Tochter der beiden erhob Klage gegen ihren Vater mit dem Ziel, ihn (u. a.) wegen der Tötung ihrer Mutter für erbunwürdig erklären zu lassen und damit aus der Erbfolge auszuschließen. Das Gericht hegte aufgrund der erfolgten Beweisaufnahme (Anhörung von Mittätern des Vaters) und aufgrund der strafrechtlichen Verurteilung des Vaters keinen Zweifel an dessen Täterschaft und wies die Berufung des Vaters zurück, er wurde für erbunwürdig erklärt und damit von der Erbfolge ausgeschlossen.
Erbunwürdigkeit / Testamentsfälschung
Nach der Rechtsprechung führt jede unter § 2339 Abs. 1 Nr. 4 BGB fallende Handlung (Urkundenfälschung, Urkundenunterdrückung, mittelbare Falschbeurkundung, Verändern von amtlichen Ausweisen) zur Erbunwürdigkeit (BGH 27.02.08, IV ZR 138/07).
Eine solche Handlung liegt dann vor, wenn unerlaubt in den Testiervorgang des Erblassers eingegriffen wird. In der Praxis sind das die Fälle, in denen der Erblasser in seiner Willensbildung vom Erben – wie auch immer – manipuliert wird oder wenn der Erbe einem formungültigen Testament zur Wirksamkeit verholfen hat. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Täter aus anerkennenswerten Motiven gehandelt hat oder nicht. Die Erbunwürdigkeit wird auch dann bejaht, wenn die Fälschung möglicherweise dem „wahren Willen“ des Erblassers entsprochen hat.