Grundsätzlich ist zunächst zu beachten, dass eine Zwangsbehandlung als ärztliche Behandlung einerseits den allgemeinen Bedingungen der Zulässigkeit einer ärztlichen Behandlung genügt und andererseits auch die besonderen Voraussetzungen für die Zwangsbehandlung erfüllen muss. Sie setzt sich aus einer Behandlung und einem Zwang zusammen. Dies impliziert, dass sowohl der Zwang, als auch die Behandlung gerechtfertigt sein müssen.
Voraussetzungen für die ärztliche Behandlung
Nach allgemeiner Definition gilt eine ärztliche Behandlung prinzipiell dann als gerechtfertigt, wenn sie medizinisch indiziert ist, der ordnungsgemäß aufgeklärte Patient einwilligt und sie lege artis (unter Beachtung der anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst) durchgeführt wird.
Eine medizinische Indikation ist dann gegeben, wenn ein Grund für eine medizinische Behandlung vorliegt. Für die Entscheidung, ob ein Behandlungsgrund vorliegt, sind zum einen objektive Kriterien wie z.B. Leitlinien und fachliche Standards, sowie zum anderen patientenbezogene Faktoren zu berücksichtigen. Hierbei erfolgt eine Abwägung von Nutzen und Risiken der ärztlichen Maßnahme. In den Prozess der Abwägung hat der Arzt den Patienten mit einzubeziehen. Allerdings obliegt die finale Beurteilung, ob eine medizinische Indikation vorliegt, allein dem Arzt, da dieser über das nötige Fachwissen verfügt.
Ein Patient ist dann ordnungsgemäß aufgeklärt, wenn ihn der Arzt über die möglichen Konsequenzen und Risiken der Maßnahme informiert hat. Aufgrund der auf dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten beruhenden Privatautonomie steht es dem Patienten dann offen, in die angebotene Maßnahme einzuwilligen.
Hierbei übernimmt der Betreuer immer die Rolle des Sachverwalters des Patienten und hat dessen Wünsche und Interessen gegenüber dem Arzt zu vertreten. Die Entscheidung über die Behandlung liegt aber prinzipiell beim Betreuten selbst, solange dieser noch nicht einwilligungsunfähig ist.
Voraussetzungen für eine Zwangsbehandlung
Zulässig ist eine Zwangsbehandlung nur dann, wenn aus ärztlicher Sicht sowohl die Behandlung selbst als auch ihre zwangsweise Durchführung geboten ist und verantwortet werden kann.
Fraglich ist hierbei zunächst, wann der Betreuer gegen den natürlichen bzw. tatsächlichen Willen des Betreuten handeln darf, und woran sich dieser dann orientieren muss. Dies richtet sich zum einen nach § 1901 III 1 BGB, wonach der Betreuer den Wunsch des Betreuten unabhängig von dessen Geschäfts- und Einwilligungsfähigkeit zu beachten hat, solange er nicht dessen Wohl widerspricht und zum anderen nach § 1896 Abs. 1a BGB, wonach der Zwangsbehandlung dieselben Voraussetzungen zugrunde gelegt werden müssen, die auch für die Zwangsbetreuung gelten. Folglich ist eine Entscheidung des Betreuers gegen den Willen des Betreuten möglich, wenn dieser einwilligungsunfähig ist, er in der konkreten Situation aufgrund seines Zustandes nicht mehr eigenverantwortlich bzw. frei entscheiden kann, weil sein natürlicher Wille gerade auf der psychischen Krankheit beruht, oder das Tätigwerden der Betreuers nötig ist, weil die Behandlung nicht aufgeschoben werden kann, ohne dem Betreuten zu schaden. Ist der natürliche Wille des Betreuten unbeachtlich, muss sich der Betreuer gem. § 1901 BGB am „Wohl“ des Betreuten orientieren, also aus dessen Sicht, nach seinen Wünschen und Vorstellungen handeln. Ausschlaggebend ist daher, wie der Betreute sich selbst, aber ohne den Einfluss seiner Krankheit entschieden hätte.
Entscheidend für die Zulässigkeit einer Zwangsbehandlung ist neben den bereits genannten Kriterien (medizinische Indikation, Aufklärung und Einwilligung des Patienten bzw. des Betreuers, Durchführung lege artis), dass es für eine Zwangsbehandlung auf betreuungsrechtlicher Grundlage einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung des Betreuers bedarf. Diese liegt in § 1906 BGB. Demnach ist eine Zwangsbehandlung auf Grundlage der Einwilligung zumindest im Rahmen der Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 BGB möglich. Die Genehmigung, derer der Betreuer zur Unterbringung und Zwangsbehandlung bedarf, muss im Hinblick auf die bestimmte (Zwangs-) Behandlung erteilt werden und sie nach Art, Dauer und Inhalt festlegen.
Der Betreuer erlangt seine rechtliche Kompetenz für eine Unterbringung und die Zwangsbehandlung durch die Zuweisung eines entsprechenden Aufgabenkreises durch das Vormundschaftsgericht in Verbindung mit § 1901 Abs. 2 und 3 BGB. Demnach ist neben der Gesundheitssorge die Befugnis zur Aufenthaltsbestimmung erforderlich.
Gemäß der Gesundheitssorge ist der Betreuer nach § 1901 III 1 BGB anstelle des einwilligungsunfähigen Betreuten dazu berechtigt, auch gegen dessen Widerspruch in die stationäre (Zwangs-) Behandlung einzuwilligen (s.o.). Eine weitere Genehmigung wird hierfür nicht benötigt, da Notwendigkeit und Zulässigkeit einer solchen Behandlung bereits nach § 1906 I Nr.2 BGB geprüft worden sind. Genehmigungsbedürftig sind jedoch Maßnahmen, die eine erhebliche Gesundheitsgefährdung (§ 1904 I BGB) oder eine Freiheitsentziehung (1906 IV BGB) darstellen.
Tanja Stier