Anforderungen an die Begründung einer über mehrere Jahre angeordneten zwangsweisen Unterbringung innerhalb eines Betreuungsverfahrens nach § 1906 BGB (alte Fassung)
  1. Auch bei einer bereits länger andauernden Unterbringung setzt die gem. § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB erfolgende (weitere) zivilrechtliche Unterbringung eine – nach wie vor bestehende – ernstliche und konkrete Gefahr für Leib oder Leben des Betroffenen voraus (im Anschluss an Senatsbeschluss BGHZ 218, 111 = BtPrax 2018, 155).
  2. Besonderheiten können sich bei einer bereits mehrere Jahre währenden Unterbringung allerdings mit Blick auf die Feststellung der von § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB vorausgesetzten Gefährdung von Leib oder Leben des Betroffenen und die hierfür gebotene Begründungstiefe der gerichtlichen Entscheidung sowie für die Frage der Verhältnismäßigkeit der Freiheitsentziehung ergeben (im Anschluss an Senatsbeschluss BGHZ 218, 111 = BtPrax 2018, 155.)

BGH, Beschluss vom 16.11.2022, AZ: XII ZB 184/2

Aus den Gründen des o. g. Beschlusses im Hinblick auf Begründungstiefe und Verhältnismäßigkeit der freiheitsentziehenden Unterbringung:

„…der durch Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und 3 iVm Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG verfassungsrechtlich geschützte Anspruch auf persönliche Freiheit gewinnt mit Fortdauer der zivilrechtlichen Unterbringung an Gewicht, weil die Intensität des Grundrechtseingriffs zunimmt. Die Dauer der zivilrechtlichen Unterbringung beeinflusst mithin ebenfalls die Anforderungen an die Begründung der gerichtlichen Entscheidung. Für die im Rahmen des § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB zu treffende Prognose, welcher Gefährdung von Leib oder Leben der Betroffene ohne eine freiheitsentziehende Unterbringung ausgesetzt wäre, muss die bereits verstrichene Unterbringungszeit berücksichtigt und geprüft werden, ob angesichts des Zeitablaufs die Selbstgefährdung in der für eine Unterbringung erforderlichen Intensität fortbesteht…“

Themen
Alle Themen anzeigen