Wann ist eine Patientenverfügung bindend und durchsetzbar?

Anforderungen an die Patientenverfügung:
Wenn mittels einer Patientenverfügung die Wünsche und Vorstellungen der Betroffenen im Ernstfall auch tatsächlich durchgesetzt werden sollen, muss diese unmittelbare Bindungswirkung haben.
Unmittelbare Bindungswirkung heißt, dass dann für die Entscheidung, die im Rahmen der medizinischen Versorgung / Behandlung des Betroffenen getroffen werden muss, nicht die Einwilligung des Betreuers (oder Vorsorgebevollmächtigten) erforderlich ist und außerdem keine Genehmigungspflicht des Gerichts besteht. Der Betreuer (oder Bevollmächtigte) hat dann lediglich die Aufgabe, den Willen des Betroffenen zur Geltung und Durchsetzung zu bringen.
Um die unmittelbare Wirkung einer Patientenverfügung zu erreichen muss auf die Formulierung geachtet werden – vor allem darauf, dass nicht nur die üblichen allgemeinen Bezeichnungen, wie sie häufig in allgemein gefertigten Vordrucken zu finden sind, verwendet werden. Der Inhalt der Patientenverfügung muss so dargestellt sein, dass konkrete Entscheidungen des Betroffenen über die Einwilligung oder Nichteinwilligung in bestimmte, noch nicht akut bevorstehende ärztliche Maßnahmen, entnommen werden können. Dies verlangt der Bestimmtheitsgrundsatz, der für die unmittelbare Wirkung der Patientenverfügung grundlegend ist. Außerdem verlangt der Bestimmtheitsgrundsatz, dass aus der Patientenverfügung erkennbar ist, ob sie in der konkreten Situation Geltung haben soll. Dies bedeutet, dass feststellbar sein muss, in welcher Behandlungssituation welche ärztliche Maßnahme durchgeführt oder unterlassen werden soll. Darüber hinaus bieten die Nennung und Beschreibung der möglichen Behandlungssituation dem Betreuer (oder Vorsorgebevollmächtigten) die Möglichkeit zu beurteilen, ob die Festlegungen zu den Behandlungsmaßnahmen auf die aktuelle Lebens- und Handlungssituation des Betroffenen zutreffen.
Es versteht sich von selbst, dass die Erwartungen an die Formulierung der Patientenverfügung nicht zu hoch angesetzt werden dürfen. Der Betroffene muss bei Verfassen des Textes auch keine Krankheitsverläufe und / oder med. Therapien voraussehen oder vorschlagen können. Jedoch muss aus dem Text der Patientenverfügung erkennbar herauszulesen sein und sich feststellen lassen können, in welcher Behandlungssituation welche ärztliche Maßnahme durchgeführt oder unterbleiben soll und welche Zielvorstellungen der Betroffene hat. Je kürzer der zeitliche Abstand eines formulierten Behandlungswunsches in Zusammenhang mit der aktuellen Krankheitssituation ist, desto aussagekräftiger ist er.
Die  Rechtsprechung (BGH, Beschluss v. 06.07.2016, AZ: XII ZB 61/16, BGH, Beschluss v. 08.02.2017, AZ: XII ZB 604/15) stellt klar, dass allgemeine Anweisungen nicht ausreichen um einen konkreten Behandlungswunsch zu formulieren und damit eine unmittelbare Wirkung der Patientenverfügung zu erreichen. Der BGH verweist insbesondere darauf, dass die häufig genutzten Abfassungen „es werden keine lebenserhaltenden Maßnahmen gewünscht“ oder „es ist ein würdevolles Sterben zu ermöglichen oder zuzulassen“ jedenfalls für sich genommen nicht ausreichen, um einen konkreten Behandlungswunsch des Betroffenen auszudrücken.
In der Praxis haben viele Patientenverfügungen keine unmittelbare Bindungswirkung weil es an der Bestimmtheit fehlt. Die Betroffenen gehen davon aus, dass sie verbindliche Regelungen getroffen haben, an die sich Betreuer, Bevollmächtigte, Ärzte usw. halten müssen. Letztendlich sind jedoch viele dieser Patientenverfügungen nicht mehr als Indizien und Auslegungshilfen für den zu ermittelnden „mutmaßlichen Willen“ des Patienten. Es ist deshalb immer empfehlenswert, eine Patientenverfügung – noch dazu wenn sie in Zusammenhang mit einer Vorsorgevollmacht stehen soll – von einem Fachmann erstellen zu lassen. Vor allem können im Rahmen der Vorsorgevollmacht noch zusätzliche, individuelle Regelungen dazu festgelegt werden, wie und wann sich der Bevollmächtigte konkret bei Eintritt bestimmter Krankheitsverläufe zu verhalten hat.

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