In vielen Betreuungsverfahren stellt sich für die Betroffenen die Frage, ob ein Sachverständigengutachten, welches ohne ihre Mitwirkung erstellt wurde, überhaupt verwertbar ist. Viele gehen fälschlicherweise davon aus, dass dann, wenn sie mit dem Sachverständigen nicht sprechen, auch kein Gutachten erstellt werden kann. Der BGH hat erneut mit Beschluss vom 17.04.2019 (AZ: XII ZB 570/18) bekräftigt, dass die Verwertbarkeit eines in einem Betreuungsverfahren eingeholten Gutachtens nicht davon abhängt, ob ein verbaler Kontakt zwischen dem Betroffenen und dem Sachverständigen hergestellt werden konnte. Der Sachverständige muss den Betroffenen aber untersucht und sich damit einen persönlichen Eindruck von ihm verschafft haben.
Wie ist es aber möglich, dass dann, wenn der Betroffene nicht mit dem Sachverständigen spricht, trotzdem von einer „Untersuchung“ gesprochen werden kann?
Nach der Rechtsprechung genügt es für den Begriff der „Untersuchung“, dass sich der Sachverständige zumindest einen persönlichen Eindruck vom Betroffenen verschafft. Wenn der Betroffene jede Kommunikation mit dem Gutachter verweigert reicht es aus, dass dieser Kontakt mit dem Betroffenen aufnimmt indem er z. B. sein Zimmer / Wohnung oder unmittelbare Umgebung betritt und kurz mit ihm spricht. Allein damit kann er sich als Mindestvoraussetzung für eine „Untersuchung“ einen persönlichen Eindruck des Betroffenen verschaffen. Meist kommt dann noch hinzu, dass entweder schon frühere Untersuchungen stattfanden oder fremdanamnestische Unterlagen vorliegen, die ebenfalls zur Erstattung des Gutachtens herangezogen werden können.
Wird der Betroffene vom Sachverständigen nirgendwo angetroffen oder verweigert dieser ihm den Zutritt zu seiner Wohnung kann das Gericht anordnen, dass er zwangsweise zur Untersuchung vorgeführt wird. Auch wenn sich der Betroffene bei der zwangsweisen Vorführung weigert mit dem Gutachter zu sprechen, ist allein schon durch das bloße Zusammentreffen von einer Untersuchungssituation zu sprechen.
07.11.2019