Muss das Betreuungsgericht zu Beginn eines Betreuungsverfahrens immer ein Sachverständigengutachten einholen?

Nein. § 280 FamFG, der Regelungen zur Einholung des Gutachtens beinhaltet, verpflichtet das Gericht nur dann zur Einholung eines Sachverständigengutachtens, wenn das Verfahren mit einer Betreuerbestellung endet. Vor der evtl. Anordnung eines Gutachtens hat das Gericht aber zu prüfen, ob das Verfahren im Hinblick auf eine Betreuerbestellung überhaupt weiter betrieben werden soll. Denn für die Fortführung eines Betreuungsverfahrens muss es hinreichende Anhaltspunkte für eine Betreuungsbedürftigkeit des Betroffenen geben. Diese können sich aus dem Bericht der Betreuungsbehörde und/oder einer schriftlichen Stellungnahme des Betroffenen ergeben. Wenn weder aus dem Bericht der Betreuungsbehörde, noch aus der Einlassung des Betroffenen Anhaltspunkte für einen Betreuungsbedarf ersichtlich sind und das Gericht daher zu der Erkenntnis gelangt, dass keine weiteren Ermittlungen anzustellen sind und folglich das Betreuungsverfahren nicht weitergeführt werden soll, ist es auch nicht zwingend erforderlich ein Sachverständigengutachten über den Gesundheitszustand des Betroffenen einzuholen. Denn schließlich muss beachtet werden, dass allein schon die Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen durch das Betreuungsgericht für den Betroffenen in der Regel eine erhebliche Belastung sind und damit eine u. U. nicht mehr aus der Welt zu schaffende Stigmatisierung des Betroffenen einhergehen kann, wenn dritte Personen in das Betreuungsverfahren mit einbezogen werden. In solchen Fällen kann dann auch die persönliche Anhörung des Betroffenen unterbleiben ohne dass dies einen Verfahrensfehler darstellt.

Nicht selten handelt sich bei solchen Sachverhalten um Fälle, in denen im Hintergrund ein Familienstreit stattfindet der dadurch „gelöst“ werden soll, dass für einen Angehörigen ein Betreuungsverfahren angeregt wird um ihn zu einem bestimmten Handeln zu zwingen oder ihm einen „Denkzettel“ zu verpassen. Dies ist aber nicht Aufgabe des Betreuungsrechts. Eine Betreuung darf nicht aufgrund von sachfremden Erwägungen eingerichtet werden. Im Übrigen können die Kosten, die eine missbräuchliche Betreuungsanregung verursacht, demjenigen auferlegt werden, der sich mit solchen Absichten an das Betreuungsgericht wendet.

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