Freiheitsentziehende Maßnahmen – Genehmigungspflicht bei häuslicher Pflege durch professionelle Plegekräfte?

Nach überwiegender Meinung muss für die Anwendung von freiheitsentziehenden Maßnahmen (z. B. Bettgitter, Fixierungen, ruhigstellende Medikamente etc.) für einwilligungsunfähige pflegebedürftige Personen, die unter gesetzlicher Betreuung stehen und die zu Hause von Angehörigen gepflegt werden, keine gerichtliche Genehmigung eingeholt werden.

Was gilt aber, wenn die betreute Person zwar zu Hause, aber nicht von Angehörigen sondern von professionellen Pflegekräften gepflegt wird? Ist dann die gerichtliche Genehmigung für freiheitsentziehende Maßnahmen ebenfalls entbehrlich – obwohl nicht die Angehörigen sondern fremde Personen darüber entscheiden?

Diese Frage ist in der Praxis von großer Bedeutung. Für ca. 30 % aller Pflegebedürftigen, die zu Hause leben, sind entweder ausschließlich professionelle Pflegedienste im Einsatz oder pflegende Angehörige werden von professionellen Pflegekräften unterstützt.

Zumindest in den Fällen, in denen ausschließlich professionelle Pflegekräfte zuständig sind, ist die Frage berechtigt, ob die betreuungsgerichtliche Genehmigung freiheitsentziehender Maßnahmen erforderlich ist. Denn für freiheitsentziehende Maßnahmen, die in Heimen, Krankenhäusern oder sonstigen Einrichtungen praktiziert werden, ist die gerichtliche Genehmigung – und damit die Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieser Maßnahmen – erforderlich. Insoweit könnten zu Hause gepflegte Betreute also schlechter gestellt sein, was die Überprüfung und Überwachung von freiheitsentziehenden Maßnahmen angeht. Die Genehmigungsfreiheit bei „Familienpflege“ (durch Angehörige) zu Hause folgt u. a. aus dem grundgesetzlich verankerten Schutz der Familie (Art. 6 GG) und der Zielsetzung, dass pflegende Angehörige von dieser Aufgabe nicht deshalb abgehalten werden sollen, weil sie von zu vielen formalistischen Hürden – wie z. B. Genehmigungserfordernissen – abgeschreckt werden. Diese Grundsätze treffen jedoch zumindest auf die Fälle, in denen Betreute ausschließlich von professionellen Pflegekräften versorgt werden, nicht zu und es stellt sich die Frage, inwieweit diese Betroffenen damit fremden Personen ohne gerichtliches Genehmigungserfordernis „ausgeliefert“ sind.

Es gibt deshalb Diskussionen darüber, ob bei ausschließlich professioneller Pflege in der eigenen Wohnung des Betroffenen diese Wohnung als „sonstige Einrichtung“ einzuordnen ist und deshalb die Genehmigung nach § 1906 Abs. 4 BGB beantragt werden muss. Oder ob – wenn mit dem Wortlaut der Vorschrift die Wohnung nicht als „sonstige Einrichtung“ gesehen wird – § 1906 Abs. 4 BGB analog angewendet werden soll, ebenfalls mit dem Ergebnis, dass eine Genehmigung einzuholen ist.

Andere Ansichten, die die Genehmigung auch bei ausschließlicher professioneller Pflege für nicht erforderlich halten, sehen die Überwachung von freiheitsentziehenden Maßnahmen mittelbar durch die allgemeine gerichtliche Kontrolle des Betreuerhandelns verwirklicht. Problematisch hieran ist aber, dass es etwas anderes ist, ob der Betroffene ggf. rechtswidrigen, genehmigungsfreien freiheitsentziehenden Maßnahmen ausgesetzt war und dies im Nachhinein vom Betreuungsgericht festgestellt wird oder ob der diese Maßnahmen schon gar nicht erdulden muss, weil sie von vornherein nicht genehmigt werden. (s. zu diesem Thema Beschluss AG Garmisch-Partenkirchen v. 28.05.2019, AZ: A XVII 9/18).

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