Der freie Wille des Betreuten und die Beachtung seiner Wünsche

Die Fähigkeit, einen eigenen, freien Willen bilden zu können, unterliegt in Bezug auf die Einrichtung einer Betreuung und/oder in Bezug auf den Vorschlag des Betroffenen, wer als Betreuer für ihn bestellt wird, unterschiedlichen Voraussetzungen:
1.
Wenn ein Betroffener sich einem beginnenden Betreuungsverfahren gegenüber sieht und nicht möchte, dass eine Betreuung für ihn eingerichtet wird, ist dies zu beachten. Dies ergibt klar aus § 1896 Abs. 1a BGB. Dann darf eine Betreuung für ihn nicht eingerichtet werden.
Aber wie kommt es dann dazu, dass trotzdem so viele Menschen gegen ihren Willen unter Betreuung gestellt werden?
Weil es darauf ankommt, wie das Gericht beurteilt, ob der Betroffene überhaupt in der Lage ist, einen „Willen“ im Sinne dieser Regelung zu bilden. Es gibt diesbezüglich die in Rechtsprechung und Literatur viel zitierten Schlagworte, einmal die „Einsichtsfähigkeit“ und einmal die daran geknüpfte „Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln“, wobei von den Gerichten ausdrücklich darauf Wert gelegt wird (bzw. werden sollte), dass in diesem Zusammenhang keine allzu hohen Erwartungen an die geistige Leistungsfähigkeit des Betroffenen gestellt werden sollten.

Es muss genügen, dass der Betroffene seine Lage einigermaßen überblicken, richtig einschätzen und danach handeln kann. Es muss ihm möglich sein zu erkennen, was mit dem Betreuungsverfahren für ihn bezweckt werden soll, dass also ein gesetzlicher Vertreter für bestimmte Bereiche für ihn eingesetzt werden soll, der für ihn handeln kann. Dies alles muss durch einen Sachverständigen begutachtet und festgestellt werden. Bei der gerichtlichen Entscheidung darf nicht einfach auf dieses Sachverständigengutachten Bezug genommen werden, sondern das Gericht muss sich damit auseinandersetzen und nachvollziehbar begründen, warum dem Betroffenen evtl. die Fähigkeit abgesprochen wird, krankheitsbedingt einen eigenen freien Willen zu bilden und deshalb gegen seinen Widerstand eine Betreuung für ihn eingerichtet wird.
2.
Andere, geringere Anforderungen an die Fähigkeit, einen eigenen freien Willen zu bilden werden dann gestellt, wenn es um die Frage geht, ob der Betroffene in der Lage ist, eine bestimmte, von ihm gewünschte Person als Betreuer vorzuschlagen. Nach § 1897 Abs. 4 BGB ist dem Vorschlag eines Betroffenen, wer für ihn Betreuer werden soll, zu entsprechen, „wenn es dem Wohl des Betroffenen nicht zuwiderläuft“. Für diesen Vorschlag ist auf Seiten des Betroffenen weder Geschäftsfähigkeit noch die oben genannte Einsichtsfähigkeit gefordert.

Wenn der Betroffene also eine konkrete Person vorschlägt, entfaltet dieser Vorschlag grundsätzlich Bindungswirkung für das Gericht. Es hat kein weiteres Ermessen mehr auszuüben. Diese Bindungswirkung wird nur dadurch gelockert, wenn etwa die Frage im Raum steht, ob die Bestimmung der genannten Person zum Betreuer mit Gefahren für den Betroffenen verbunden wäre, mit anderen Worten, ob es dem „Wohl des Betroffenen“ nicht entsprechen würde, die vorgeschlagene Person zum Betreuer zu bestimmen. Dies darf nur unter genauer Abwägung aller Umstände beantwortet werden. Es müssen deutliche Gesichtspunkte erkennbar sein, die gegen die vorgeschlagene Person sprechen. Keinesfalls darf der Wunsch des Betroffenen einfach übergangen oder ohne Kommentar abgelehnt werden. (s. auch BGH, Beschluss v. 14.01.2015, AZ: XII ZB 352/14) Es kann auch verlangt werden, dass die vorgeschlagene Person dann wenigstens für einzelne Aufgabenkreise eingesetzt wird und für andere, als "kritisch" eingestufte  Aufgabenkreise ein anderer Betreuer.

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