Darf die persönliche Anhörung im Betreuungsverfahren aufgrund der Corona-Infektionsgefahr einfach unterbleiben?

Die Anhörung des Betroffenen ist in jedem Betreuungsverfahren von elementarer Bedeutung. Allein die derzeit grundsätzlich immer gegebene Gefahr einer Infektion mit dem Corona-Erreger steht einer persönlichen Anhörung nicht entgegen, wenn sie durch geeignete Maßnahmen so gut wie möglich reduziert werden kann. Ob dies möglich ist, ist immer eine Frage des Einzelfalles. Jedes Betreuungsgericht hat die Pflicht – bevor aus diesem Grund womöglich auf eine Anhörung verzichtet wird – alle Möglichkeiten zu prüfen, ob eine Anhörung auch unter den derzeit herrschenden Bedingungen durchgeführt werden kann. Dies erfordert ggf. eine Abweichung von den üblichen verfahrensrechtlichen Gewohnheiten. Kreative Möglichkeiten sind von den Gerichten hier nicht nur in Betracht zu ziehen, sondern in Anbetracht der Freiheitseinschränkungen, die eine Betreuung für den Betroffenen mit sich bringt, sogar geboten. Es muss also auch geprüft werden, ob Anhörungen im Freien durchgeführt werden können, evtl. größere Räume zur Verfügung stehen, die Verwendung von Plexiglasscheiben / telefonische Anhörung durch geschlossene Glastür möglich ist oder die Verwendung von Schutzkleidung etc.

Wenn trotz dieser Alternativen eine Anhörung nicht durchgeführt werden kann, sind die Gerichte verpflichtet, die Gründe dafür schriftlich zu dokumentieren. Es ist jedenfalls verfahrensfehlerhaft, allein aufgrund der Infektionsgefahr z. B. in Pflegeeinrichtungen oder Krankenhäusern lapidar und ohne weitere Begründung auf die Anhörung zu verzichten und eine Betreuung trotzdem einzurichten (s. LG Dresden, Beschluss v. 06.04.2020, AZ: 2 T 200/20)

Das LG Wuppertal hat mit Beschluss v. 05.05.2020 (AZ: 9 T 71/20) darüber hinaus klargestellt, dass die persönliche Anhörung des Betroffenen in Unterbringungssachen nicht (mehr) durch eine telefonische Anhörung ersetzt werden kann.

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