Betreuungsgerichtliche Genehmigung einer schenkweisen Auszahlung durch den Betreuer – Genehmigungsfähigkeit von Anstandsschenkungen

Allein die Tatsache, dass es sich bei beabsichtigten Schenkungen eines Betreuten an Dritte um hohe Beträge handelt entscheidet nicht darüber, ob dies betreuungsgerichtlich genehmigungsfähig ist oder nicht. Eine Anstandsschenkung muss im Hinblick auf ihre Genehmigungsfähigkeit immer im Einzelfall und unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände geprüft werden.

Hierzu das LG Kassel, Beschluss v. 12.10.2012, AZ: 3 T 349/12:

In einem Betreuungsverfahren für eine 92jährige alte Dame beantragte der Betreuer die Genehmigung des Betreuungsgerichts, den beiden Söhnen der Betroffenen jeweils 40.000 Euro im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge zukommen lassen zu dürfen.

Dies entsprach dem Willen der Betroffenen.

Sie hatte schon vor Eintritt der durch Demenz verursachten Geschäftsunfähigkeit ihren Willen sowohl gegenüber dem Betreuer als auch gegenüber ihren Söhnen bekundet, wenn ihr Haus einmal verkauft sei, sollte beiden Söhnen ein größerer Betrag zugewendet werden. Der Grund dafür bestand zum einen darin, dass es in der gut funktionierenden Familie üblich war, dass die Kinder – falls erforderlich – von den Eltern finanziell unterstützt wurden. Der eine Sohn befand sich nun schon seit längerer Zeit in erheblichen Zahlungsschwierigkeiten, was im schlimmsten Fall zum Verlust seiner beruflichen Existenz hätte führen können. Mit der Auszahlung des Betrages in Höhe von 40.000 Euro wären seine Schulden mit einem Schlag getilgt und er müsste nicht mehr befürchten, von einem Gläubiger in ein Privatinsolvenzverfahren verstrickt zu werden.

Der andere Sohn sollte durch die Zuwendung des gleichen Betrages ebenso behandelt werden.

Die Betroffene lebt in einem Pflegeheim, welches sie aus ihren laufenden monatlichen Einnahmen selbst voll finanzieren kann. Auch nach Auszahlung ihres Taschengeldes in Höhe von 200,00 Euro verbleibt ihr monatlich ein Überschussbetrag von 600,00 Euro.

Durch Ersparnisse und den Verkauf des Hauses verfügt die Betroffene zusätzlich über ein Vermögen von 160.000 Euro.

Nach Maßgabe des Voraussehbaren ist die Betroffene damit bis an ihr Lebensende auch als vollständig Pflegebedürftige in der Lage, sämtliche anfallenden Pflege- und Lebenshaltungskosten ohne Schwierigkeiten aufzubringen.

Trotzdem lehnte die eingesetzte Verfahrenspflegerin in ihrer Stellungnahme die gerichtliche Genehmigung der Schenkungen an beide Söhne ab. Begründet wurde dies damit, dass es sich bei einer Schenkung dieser Größenordnung weder um eine Anstandsschenkung noch um eine Schenkung, die einer sittlichen Pflicht entspricht, handelt. Das Betreuungsgericht sah das genauso, lehnte die Genehmigung ab und half auch der daraufhin eingelegten Beschwerde nicht ab.

Das Landgericht Kassel erteilte jedoch in dem darauffolgenden Beschwerdeverfahren die betreuungsgerichtliche Genehmigung für beide Schenkungen. Es führte aus, dass die Betreute in gesicherten Verhältnissen lebt und über ein Sparvermögen in Höhe von 160.000 Euro verfügt. Zu diesem Sparvermögen sei es u. a. auch deshalb gekommen, weil die Söhne von der Geltendmachung ihres Pflichtteils nach dem Tod des Vaters verzichtet haben. Aus dem gesamten Verhalten der Söhne wurde deutlich, dass es ihnen nicht darum ging, das Vermögen der Mutter zu schmälern, sondern vielmehr ihren mehrfach (vor der krankheitsbedingten Unfähigkeit zur Kommunikation) ausgesprochenen Willen zu beachten, beiden Söhnen diesen Betrag zukommen zu lassen. Darüber hinaus stellte das LG klar, dass es durchaus durchschnittlichen Moralvorstellungen entspricht, wenn in einer intakten Familie Eltern ihren Kindern finanziell unter die Arme greifen, wenn diese unverschuldet in eine finanzielle Notlage kommen und die Eltern diese Notlage ohne drohende Gefährdung ihres eigenen Lebensstandards beseitigen können.

Diese Entscheidung stellt klar, dass es bei der Prüfung, ob es sich innerhalb eines Betreuungsverfahrens um eine Anstandsschenkung handelt oder nicht, nicht allein auf die Höhe des zu verschenkenden Betrages ankommt. Es handelt sich vielmehr um Einzelfallentscheidungen, bei denen eine Gesamtschau der finanziellen Lage des Betreuten, der Motivation der Beteiligten und den allgemeinen familiären Verhältnisse vorgenommen werden muss.

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