Das Ergebnis eines Forschungsprojekts zum Thema „Kostenexplosion“ im Betreuungsrecht fiel nicht überraschend aus: Die Zahl rechtlicher Betreuungen steigt stetig an, der Anteil ehrenamtlich geführter Betreuungen nimmt ab.
Die Gründe für die steigende Zahl rechtlicher Betreuungen sind verschiedene.
Dabei ist die Hauptursache nicht – wie oft angenommen – in der steigenden Zahl psychischer Krankheiten auch bei jüngeren Menschen und in der zunehmenden Zahl alter Menschen mit demenziellen Erkrankungen zu suchen. Sondern einer der wichtigsten Aspekte in diesem Zusammenhang sind die geltenden sozialpolitischen Strukturen. Immer mehr lässt sich feststellen, dass Patienten (zu) frühzeitig aus Kliniken entlassen werden, diese sich aber (noch) nicht zu Hause selbst versorgen können. Dies führt zu einer steigenden Zahl rechtlicher Betreuungen im Wege der einstweiligen Anordnung. Die Kosten, die im Gesundheitswesen also durch frühe Entlassungen eingespart werden, werden andererseits wieder durch die Einrichtung rechtlicher Betreuungen gesteigert, die Entlastung der einen Kasse sorgt für die Belastung der anderen.
Aber auch die allgemeinen Sparmaßnahmen und Umstrukturierungen in den verschiedenen Sozialen Diensten sorgen für eine „Kostenverschiebung“. Es werden Stellen eingespart in Informations- und Vermittlungsstellen für ältere Menschen, in Sozialpsychiatrischen Diensten genauso wie in den entsprechenden Abteilungen der Gesundheitsämter.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Wandel familiärer Strukturen. Unterstützung und rein praktische, tatsächliche Betreuung durch Familienangehörige ist für eine wachsende Zahl von hilfsbedürftigen Betroffenen nicht gegeben. Dadurch sind immer mehr fremde rechtliche Betreuungen notwendig.
Demgegenüber steht die Bereitschaft der Menschen, rechtliche Betreuungen als Ehrenamt zu übernehmen. Auch wenn das Zahlenverhältnis den Anschein erweckt, hat diese Bereitschaft nicht nachgelassen. Aber im Verhältnis zu den schnell wachsenden Betreuungsfällen insgesamt, kann die Anzahl der ehrenamtlichen Betreuungen nicht „mithalten“. Dieses quantitative Defizit kann von den Ehrenamtlichen derzeit nicht aufgefangen werden. Die ehrenamtlichen Betreuer haben hauptsächlich mit dem Problem zu kämpfen, dass die Art der Betreuungstätigkeit zunehmend komplexer und schwieriger wird. Es handelt sich zunehmend um sehr anspruchsvolle Betreuungsfälle. Es muss mit psychisch Kranken, mit Suchtkranken und mit oft komplexen finanziellen Verhältnissen umgegangen werden. Dieser steigende Schwierigkeitsgrad wird in Befragungen als Hauptursache benannt, weshalb die meisten Betreuungen dann doch von Berufsbetreuern übernommen werden.
Darüber hinaus sind in vielen Betreuungsfällen keine oder sehr wenig unterstützende Familienstrukturen vorhanden, die ein ehrenamtlicher Betreuer auch für seine Tätigkeit als Unterstützung heranziehen könnte. Die zunehmende Bereitschaft von Berufsbetreuern, kurzfristig Betreuungen zu übernehmen und die Bevorzugung von Berufsbetreuern durch die Betreuungsgerichte tun ihr Übriges.
Mitarbeiter von Betreuungsvereinen kritisieren, dass die ehrenamtlich Engagierten bei komplexen Fallgestaltungen von vornherein von Betreuungsbehörden und Betreuungsgerichten gar nicht in die Auswahl genommen würden.
Susanne Kilisch
Wiss. Mitarbeiterin