Merkmale, die Betreuer bei ihrer Arbeit zu beachten haben – internationale Unterschiede

In Deutschland ist der Maßstab für jede Handlung eines Betreuers in § 1901 Abs. 2 BGB geregelt: „Der Betreuer hat die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen, wie es dessen Wohl entspricht.“ Dies ist eine der wichtigsten und zentralsten Säulen des deutschen Betreuungsrechts.
Das „Wohl des Betreuten“ stellt einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, d. h. es gibt dafür keine genaue gesetzliche Definition. Um den Begriff „Wohl des Betreuten“ überhaupt beurteilen und anwenden zu können, muss der jeweilige Einzelfall durch Betrachtung aller Umstände und Zusammenhänge beurteilt und ausgelegt werden. Dies bedeutet, dass keine allgemein objektive Beurteilung der Frage, was denn nun genau das „Wohl des Betroffenen“ ist, stattfinden darf, sondern immer eine subjektive Beurteilung, die sich aus den konkreten Umständen und der Individualität des Betroffenen ergibt. Der Betreute soll durch den Betreuer nicht, bzw. so wenig wie möglich, in seiner Freiheit zur individuellen Lebensgestaltung eingeschränkt werden.
In den internationalen Betreuungsgesetzten finden sich zum Teil andere Prioritäten.

Es werden zwar (fast) überall der Schutz und das Wohlergehen der Betroffenen als entscheidende Kriterien für das Betreuerhandeln festgelegt. Der überwiegende internationale Fokus liegt jedoch nicht auf den subjektiven, persönlichen Wünschen und Vorstellungen des Betroffenen, die letztendlich für das Wohlergehen des Betroffenen sorgen. Sondern das objektive Wohl (also alles, was nach allgemeiner Lebensanschauung für erstrebenswert und besserungsfähig erachtet wird) wird international überwiegend als Maßstab für Betreuerhandeln zugrunde gelegt.
Merkmal objektives Wohl:
So statuieren z. B. Schweden, England, Malta, Australien und Neuseeland das objektive Wohl des Betroffenen als Kriterium für Betreuerhandeln. In die gleiche Kategorie fällt Italien. Dort wird vom Betreuer gefordert, dass der Sachwalter so fürsorglich wie ein „Familienoberhaupt“ handelt.
Merkmal Vorlieben und Wünsche des Betroffenen:
Südkorea beispielsweise nimmt – neben der Pflicht, das der Betreuer nach Maßstäben von Treu und Glauben zu handeln hat –  eindeutig Bezug auf die Vorlieben und Wünsche des Betroffen.
Merkmal Schutz des Betroffenen und Wahrung gesellschaftlicher Sorgfaltspflichten:
Der weitläufige Begriff „Schutz des Betroffenen“ ist der Leitfaden für pflichtgemäßes Betreuerhandeln in vielen anderen Ländern. Beispielsweise in China, Hongkong, Japan, Slowenien, Taiwan, Südkorea, Polen, Argentinien und Norwegen. Es wird in diesen Ländern zwar explizit Wert darauf gelegt, die Ansichten und Vorstellungen des Betroffenen anzuhören und mit in die Entscheidungen einzubeziehen. Ebenfalls in Entscheidungen mit einbezogen werden jedoch auch allgemeine Sorgfaltspflichten gegenüber der Gesellschaft, was wiederum darlegt, dass sich die Betreuung im Einzelfall doch objektiven Maßstäben unterzuordnen hat.
Konkrete Aussagen dazu, dass die Beachtung und Wahrung des subjektiven Wohls des Betroffenen, ein besonderes Kriterium für Betreuerhandeln ist, finden sich hier aber nicht.
Merkmal Wahrung des Selbstbestimmungsrechts / Autonomie
Die Beachtung und Wahrung des Selbstbestimmungsrechts der Betroffenen (größtmögliche Autonomie) ist international ebenfalls nur mehr oder weniger maßgebliches Merkmal für korrektes Betreuerhandeln. Argentinien stellt die Förderung der größtmöglichen Autonomie als wichtiges Kriterium für Betreuerhandeln dar. Auch das Betreuungsrecht in Malta zielt darauf ab, dass der Betroffene in der tatsächlichen Ausübung der Rechts- und Handlungsfähigkeit von dem Betreuer so gut es geht unterstützt wird. Ebenso ist im deutschen Betreuungsrecht die Wahrung und Förderung des Selbstbestimmungsrechts des Betroffenen eine der wichtigsten Kernaussagen und Vorgaben für die Betreuertätigkeit.
Person des Betreuers / Überwachung des Betreuers
In den meisten Ländern ist festgelegt, dass der Betroffene Wünsche dahingehend äußern kann, wer für ihn zum Betreuer bestellt werden soll. Diese Wünsche müssen auch in allen Ländern so gut es geht beachtet werden. Wenn von den Betreuungsgerichten (-behörden) davon abgewichen wird, muss eine Begründung dazu erfolgen, warum eine bestimmte, gewünschte Person, nicht zum Betreuer bestellt wird. So z. B. in den Niederlanden, Deutschland, Schottland, Slowenien, Tschechische Republik, Malta, Italien
In Estland beispielsweise gibt es dazu strengere, an den Wünschen des Betroffenen enger orientierte Vorschriften. Dort muss das Betreuungsgericht das Einverständnis des Betroffenen für die Person, die zum Betreuer (Kurator) bestellt werden soll, einholen.
Die Überwachung der Tätigkeit und die Aufsicht des Betreuers finden in der Regel in den meisten Ländern durch die jährliche Rechnungs- und Berichterstattungspflicht gegenüber dem Betreuungsgericht statt. So z. B. in Deutschland, Niederlanden, Polen, Taiwan, Südkorea (hier kann durch das Gericht ein Aufsichtsbetreuer bestellt werden), Italien.
In Schweden erfolgt die Aufsicht durch den Chefbetreuer.  In Slowenien durch Berichterstattung an das Zentrum für Sozialarbeit. In Norwegen gibt es die Aufsicht durch die Bezirksregierung. In Schottland ist für das Vermögen der Public Guardian das Aufsichtsorgan, in Angelegenheiten der Gesundheit und Fürsorge sind es die Behörden.

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