In Japan wurde das Vormundschaftsrecht grundlegend reformiert.Die Versorgung und Pflege der alten Menschen wurde traditionell innerhalb der Familie geleistet. Durch die stetige Zunahme der Seniorengesellschaft, kombiniert mit häufig auftretenden Demenzerkrankungen, ist der Druck auf die Familien in erheblichem Maße angestiegen. Die gesetzlichen Regelungen bildeten im Grundsatz ein System der Entmündigung. Hintergrund der Reform war die schnelle Überalterung der Gesellschaft und das neue Pflegeversicherungsgesetz.
Der Fokus im neuen japanischen Vormundschaftsrecht liegt vor allem darauf, den betroffenen Personen ein „normales“ Leben zu ermöglichen. Es soll unterstützende Hilfe geboten werden anstatt die vorhandenen Fähigkeiten zu beschränken. Zentraler Punkt ist die „Betonung des Schutzes des Lebensalltags“, womit nicht nur Vermögensschutz gemeint ist, sondern auch praktische Unterstützung im Alltag, sog. „Hilfe zur Selbsthilfe“. Dadurch wird versucht, die Lebensqualität zu erhalten bzw. zu verbessern. Unterstützt werden diese Ziele noch durch die These der „Achtung des Rechts auf Selbstbestimmung“, d. h. die verbleibende Geschäftsfähigkeit soll optimal genutzt werden. Solange die Personen geschäftsfähig sind, sollen zur Verwirklichung der Selbstbestimmung noch so viele Angelegenheiten geregelt werden, wie möglich.
Das Vormundschaftsrecht ist in zwei Bereiche unterteilt. Es gibt die gesetzliche Vormundschaft und die freiwillige Vormundschaft, wobei – wie in den mitteleuropäischen Ländern – der gewollte Schwerpunkt auf der freiwilligen Vormundschaft liegt. Sie ist mit der bei uns üblichen Vorsorgevollmacht zu vergleichen. Das Recht auf Selbstbestimmung wird also dadurch gewahrt, dass Regelungen in der Vollmacht getroffen werden, so lange noch Geschäftsfähigkeit vorliegt. Dies ist der sicherste Weg, die eigenen Wünsche und Vorstellungen zu äußern und dafür zu sorgen, dass diese später dann auch noch respektiert und durchgesetzt werden.
Unterschiede zur deutschen Vorsorgevollmacht bestehen bspw. darin, dass diese freiwillige Vormundschaft einen notariell beglaubigten Vertrag darstellt, den der Betroffene mit dem Bevollmächtigten abschließt, in dem alle Beziehungen geregelt werden. Der Vertrag wird registriert, so dass später (falls eine gesetzliche Vormundschaft beantragt werden sollte) eine sichere Überprüfung durch die Gerichte möglich ist. Außerdem wird gerichtlich eine „Aufsichtsperson“ berufen, den Bevollmächtigten jederzeit zu überwachen. Der Bevollmächtigte kann in problematischen Fällen vom Familiengericht entlassen werden. Diese Verfahrensweise ist nicht zuletzt für die Gerichte sehr arbeitsintensiv, bewirkt aber andererseits den effektiven Schutz des Betroffenen.
Die gesetzliche Vormundschaft gliedert sich in Fälle der schweren Beeinträchtigung der Geschäftsfähigkeit, sie werden durch die Pflegschaft geregelt. Absolute und konstante Beeinträchtigung der Geschäftsfähigkeit fällt unter Vormundschaft.
Die dritte Art, die Beistandschaft, wurde im Rahmen der Reform neu eingeführt und erfasst minder schwere Fälle der beeinträchtigten Geschäftsfähigkeit. In dem System der Beistandschaft kann der Umfang der Berechtigung des Betreuers/Beraters nach Absprache festgelegt werden und dadurch Wünsche des Betroffenen geäußert und respektiert werden. Dies ermöglicht einen individuellen Umgang mit leichten Demenzerkrankungen, Behinderungen oder leichten psychischen Erkrankungen innerhalb der gesetzlichen Vormundschaft.
Im Zuge der Reform wurde die Eintragung der Geschäftsunfähigkeit in das Familienregister abgeschafft und die Registrierung der Vormundschaft für Volljährige eingeführt.
Berechtigt, die Vormundschaft für eine Person zu beantragen, ist in Japan neben dem Betroffenen selbst noch sein Ehepartner, Personen bis zum vierten Grad der Blutsverwandtschaft und der Bürgermeister. Das Antragsrecht des Bürgermeisters resultiert daraus, dass auch die Personen, die allein sind, geschützt werden sollen.
Zusammenfassend lässt sich bisher sagen, dass, obwohl es aufgrund der Überalterung der Gesellschaft und die damit verbunden Probleme nicht nur in Japan sondern weltweit notwendig wäre, das System der freiwilligen und privaten Vorsorge (hier freiwillige Vormundschaft) anzunehmen und effektiv zu nutzen, diese Entwicklung noch schleppend vorangeht.