Gesundheitssorge

Der Aufgabenkreis der Gesundheitssorge umfasst alle Bereiche der Medizin, d. h. innerhalb dieses Aufgabenkreises hat sich der Betreuer in jeder Hinsicht um die gesundheitlichen Belange des Betreuten zu kümmern.

Es ist aber immer zu prüfen, ob der Aufgabenkreis eventuell eingeschränkt werden kann, also ob z. B. nur eine Entscheidung hinsichtlich einer bestimmten medizinischen Maßnahme notwendig ist und der Betreuer dementsprechend nur hinsichtlich dieser Maßnahme eingesetzt werden soll.
Nur mit dem übertragenen Aufgabenkreis der Gesundheitssorge darf dem Betreuer ein medizinisches Gutachten übermittelt werden.
Der Betreuer ist grundsätzlich innerhalb seines Aufgabenkreises dazu verpflichtet, Schaden vom Betreuten abzuwenden. So trifft es den Betreuer, wenn etwa der sturzgefährdete Betreute zu Hause lebt, dafür zu sorgen, dass Verletzungsrisiken minimiert werden. Es muss beispielsweise für sicheres Schuhwerk gesorgt werden, rutschende Teppiche, glatte Fußböden etc. müssen beseitigt werden. Ebenfalls fällt es in diesen Aufgabenbereich, zu hohe Bade- oder Duschwannenränder, zu hohe oder niedrige Betten, unzureichende Beleuchtung etc. zu optimieren.
Weitere Aufgaben des Betreuers innerhalb des Aufgabenkreises „Gesundheitssorge“ können beispielsweise sein:
Einwilligung in eine Operation, Einwilligung in verschiedene Heilbehandlungen (Logopädie, Krankengymnastik usw.), Veranlassung med. Maßnahmen wie z. B. Verbände, Medikamentenverabreichung, Veranlassung einer Kur oder Reha-Maßnahme, Vertrag mit Pflegedienst über Haushaltshilfen, Vertrag mit „Essen auf Rädern“, Geltendmachung von Ansprüchen bei Pflegebedürftigkeit. Der Aufgabenkreis der Gesundheitssorge umfasst weiterhin auch die Pflicht des Betreuers, dafür zu sorgen, dass der Betreute krankenversichert ist. Falls der Betreute geschäftsunfähig ist, muss der Betreuer ggf. auch Arzt-, Behandlungs-, Krankenhaus- und Transportverträge abschließen.
Eine Unterbringung des Betroffenen (z. B. in die Psychiatrie), die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, kann durch den Betreuer nur dann wirksam vollzogen werden, wenn ihm im Rahmen seines Aufgabenkreises ausdrücklich die Kompetenz dazu eingeräumt wurde. Der alleinige Aufgabenkreis „Gesundheitssorge“ reicht hierfür nicht aus, es muss daneben noch der Aufgabenkreis „Aufenthaltsbestimmung“ übertragen worden sein.
Nicht zum Aufgabenkreis der Gesundheitssorge gehört, den Umgang des Betreuten zu regeln, bzw. zu bestimmen. Dies gilt auch dann, wenn der Kontakt des Betreuten zu Familienangehörigen oder Nachbarn etc. unter Umständen nachteilige Auswirkungen auf die Gesundheit hat. Der Betreuer ist nur dann befugt, den Umgang des Betroffenen zu bestimmen, wenn ihm der Aufgabenkreis „Umgangsbestimmungsrecht“ übertragen wurde (s. u.). Wenn deshalb nachteilige Gesundheitsbeeinträchtigungen zu befürchten sind, kann der Betreuer bei Gericht eine Aufgabenkreiserweiterung in Bezug auf das Umgangsbestimmungsrecht anregen. Dies führt in der Praxis teilweise unter dem Stichpunkt „Besuchsverbot“ zu problematischen Fällen, wie von der Kester-Haeusler-Stiftung schon an anderer Stelle dargestellt.
In besonders schwerwiegenden Fällen (z. B. wenn es um die Entscheidung über einen evtl. Abbruch lebensverlängernde Maßnahmen geht) kann hinsichtlich der Entscheidung des Betreuers die Genehmigung des Betreuungsgerichts erforderlich sein.

Gerade in diesem Bereich der Gesundheitssorge kommt es in der Praxis oft zu problematischen Streitigkeiten. So hat das OLG Frankfurt, AZ 20 W 52/06 entschieden:
Verweigert ein Angehöriger für einen Pflegebedürftigen die Zustimmung zu lebensverlängernden Maßnahmen so ist dieser nicht grundsätzlich ungeeignet, um als Betreuer des Pflegebedürftigen eingesetzt zu werden. Entscheidungserheblicher im Rahmen der Zustimmungsverweigerung sei, ob diese Entscheidung dem Willen des Pflegebedürftigen entspreche.
Im o. g. Fall hatte eine Frau die Zustimmung zur künstlichen Ernährung ihrer pflegebedürftigen Mutter verweigert. Die Bestellung der Frau zur Betreuerin der Mutter wurde deshalb vom Gericht abgelehnt. Sie wurde für ungeeignet angesehen, da sie ihre Mutter verhungern lassen wolle. Stattdessen wurde ein Berufsbetreuer bestellt. Das Landgericht hatte den Sachverhalt allerdings anders beurteilt und die Tochter zur Betreuerin bestellt, was vom OLG dann auch bestätigt wurde. Die Gerichte halten es für notwendig, dass bei der Auswahl eines Betreuers die verwandtschaftlichen und persönlichen Beziehungen berücksichtigt werden. Das Wohl eines Betreuten sei nicht in Gefahr, wenn Betreuer gemäß den Wünschen und dem Willen des pflegebedürftigen Betreuten lebensverlängernde Maßnahmen ablehnt.

Zustimmung zu Heilbehandlungsmaßnahmen
Der Aufgabenkreis der „Zustimmung zu Heilbehandlungen“ ist nicht so weit gefasst wie die Gesundheitssorge. Es geht hierbei um die Durchführung einzelner Maßnahmen und/oder Untersuchungen. Heilbehandlungsmaßnahmen betreffen die Herstellung der Gesundheit, Linderung und Verhinderung von Krankheiten oder deren Folgen. Auch wenn der Aufgabenkreis „Zustimmung zu Heilbehandlungsmaßnahmen“ vom Gericht angeordnet wurde, besteht die Möglichkeit des Betreuers in eine geplante Heilbehandlungsmaßnahme einzuwilligen nur dann, wenn der Betreute selbst nach seiner natürlichen Einsichtsfähigkeit die Bedeutung einer solchen Maßnahme nicht erfassen kann. Es ist die Aufgabe des Arztes festzustellen, ob der Betreute in der Lage ist, das Für und Wider einer geplanten Behandlungsmaßnahme gegeneinander abzuwägen.
Maßstab für ärztliche Behandlungsmaßnahmen sind in erster Linie die Empfehlungen und Indikationen des Arztes. Grundsätzlich kann der Betreuer auf die Vorschläge und Angaben eines Arztes vertrauen und sich danach richten. Es sei denn, es bestehen diesbezüglich erhebliche, begründete und nachvollziehbare Zweifel.
Zwangsbehandlungen sind Behandlungen gegen den natürlichen Willen des Betreuten. Diese sind grundsätzlich dann unzulässig, wenn sie außerhalb einer geschlossenen Unterbringung, also ambulant, durchgeführt werden sollen. Es ist Aufgabe des Betreuers und des Arztes, zu versuchen, den Betreuten davon zu überzeugen, dass die geplante ärztliche Behandlung durchgeführt werden muss. Wenn dies nicht gelingt, ist evtl. eine Zwangsbehandlung – aber nur im Rahmen einer Unterbringung – durchzuführen. Dafür benötigt der Betreuer die Übertragung der Aufgabenkreise „Gesundheitssorge“ und „Aufenthaltsbestimmung“. Weitere Voraussetzung ist die Unfähigkeit des Betreuten, die Bedeutung, Tragweite, Risiken und Vorteile der wünschenswerten ärztlichen Behandlungsmaßnahme zu erkennen und darin einzuwilligen.
In die Teilnahme des Betreuten an klinischen Experimenten kann der Betreuer nicht einwilligen.
Susanne Kilisch
Wiss. Mitarbeiterin

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