Arztgutachten im betreuungsrechtlichen Verfahren

Es gibt im Betreuungsrecht immer wieder Fälle,  in denen für die Betroffenen schwerwiegende gerichtliche Entscheidungen getroffen werden, die auf verfahrensfehlerhaft zustande gekommenenärztlichen Sachverständigengutachten beruhen.

In einem Fall wurde eine unter Betreuung stehende, psychisch kranke Frau auf Antrag ihres Betreuers in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht, außerdem wurde einezwangsweise Heilbehandlung genehmigt.Grundlage hierfür war das Gutachten, das der Sachverständige in dem Anhörungstermin vor Gericht über die Betroffene erstattet hatte. Bei dem Sachverständigen handelte es sich um den behandelnden Oberarzt der Klinik, in der die Betroffene untergebracht war. Er erstellte sein Gutachten mündlich während des Anhörungstermins.

Dieses Gutachten wurde als verfahrensfehlerhaft beanstandet. Problematisch war hier unter anderem, dass der Sachverständige der behandelnde Arzt der Betroffenen war.

Eine zwangsweise Unterbringungsmaßnahme stellt genauso wie eine zwangsweise Heilbehandlung einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen dar.  Deshalb hat gem. § 321 FamFG vor der Genehmigung einer solchen freiheitsbeschränkenden Maßnahme eine förmliche Beweisaufnahme stattzufinden. Hierzu zählt die Einholung eines verfahrensfehlerfrei zustande gekommenen Sachverständigengutachtens. Es muss gewährleistet werden, dass die Betroffenen zumindest in der Lage sind, ihre Verfahrensrechte wahrzunehmen.

Eines dieser Rechte ist z. B. das Ablehnungsrecht des Sachverständigen durch den Betroffenen. Es können die unterschiedlichsten Gründe dafür vorhanden sein, das der Betroffene mit der Person des Gutachters nicht einverstanden ist, er muss die Möglichkeit haben, diesen abzulehnen, § 30 FamFG, §406 ZPO. Um dies zu gewährleisten, muss dem Betroffenen vor dem Termin zumindest formlos mitgeteilt werden, wer als Gutachter bestellt wurde. Wenn aber erst im Anhörungstermin bekanntgegeben wird, wer der bestellte Gutachter ist und derjenige dann sofort sein mündliches Gutachten vorträgt, ist dieses Recht des Betroffenen nicht gewahrt.

Des Weiteren muss der Betroffene vor Erstattung des Gutachtens von dem Sachverständigen persönlich untersucht oder befragt werden. Dabei muss der Gutachter schon vor der Untersuchung zum Sachverständigen bestellt worden sein und dem Betroffenen den Zweck der Untersuchung mitteilen. Das Gutachten an sich muss Art und Ausmaß der Krankheit im Einzelnen anhand der Vorgeschichte, der durchgeführten Untersuchung und der sonstigen Erkenntnisse darstellen und wissenschaftlich begründen.

Grundsätzlich kann ein behandelnder Arzt als Gutachter bestellt werden.Nach dem FamFG soll erst bei einer Unterbringungsdauer von mehr als 4 (!) Jahren ein anderer als der behandelnde Arzt zum Gutachter bestellt werden.Wennaber der behandelnde Arzt als Gutachter tätig wird, stellt sich die Frage, ob diese Erkenntnisse, auf die das Ergebnis des Gutachtens gestützt wird, auf der Tätigkeit als behandelnder Arzt beruhen oder auf der Untersuchung als Sachverständiger. Denn der Betroffene hat dann keine Kenntnis davon, dass diese Untersuchungen einer späteren Begutachtung dienen sollen. Auf jeden Fall müssen in einem Gutachten die durchgeführten Untersuchungen dargestellt sein, so dass sie für das Gericht nachvollziehbar und überprüfbar sind und so zur Entscheidungsfindung beitragen können.

In Verfahren zur zwangsweisen Behandlung eines Betroffenendarf der zwangsbehandelnde Arzt nicht zum Gutachter bestellt werden. Hiermit wird gewährleistet, dass der gerichtlichen Entscheidung unvoreingenommene, neutrale ärztliche Begutachtung durch einen Sachverständigen vorausgeht, der nicht mit der Behandlung des Betroffenen befasst ist.

Das Gutachten muss nicht zwingend schriftlich erstellt sein, aber in Anbetracht des schwerwiegenden Grundrechtseingriffs in solchen Fällen wird dies von der Rechtsprechung als angezeigt angesehen.

Zu diesem Thema hat der BGH folgenden Fall entschieden:

Im Verfahren zur Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme kann der behandelnde Arzt nur in eng begrenzten Ausnahmefällen mit der Erstattung des vor der Entscheidung einzuholenden Gutachtens über die Notwendigkeit der Maßnahme beauftragt werden.

Die Gründe für eine Abweichung von der Regelung des § 321 FamFG sind in der Genehmigungsentscheidung darzulegen.

BGH, Beschl. v. 30.10.13 – XII ZB 482/13

Themen
Alle Themen anzeigen