Voraussetzungen für die Einwilligung des Betreuers in ärztliche Zwangsmaßnahmen in Unterbringungssachen

§ 1906 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches lässt es zu, dass der Betreuer unter gewissen Voraussetzungen in eine ärztliche Zwangsbehandlung des Betroffenen – in der Psychiatrie, im Pflegeheim oder einer sonstigen Einrichtung- einwilligen kann, auch wenn sie dem natürlichen Willen des Betreuten widerspricht.

Dies ist zulässig wenn der Betreute auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann und zuvor versucht wurde, den Betreuten von der Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme zu überzeugen (Überzeugungsversuch) und dies zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, um einen drohenden erheblichen gesundheitlichen Schaden abzuwenden. Dabei darf es keine andere Maßnahme geben, die gleich wirksam ist und dem Betreuten gleichsam zugemutet werden kann. Der Nutzen der Zwangsbehandlung muss deren Beeinträchtigung, die für den Betroffenen entsteht, erheblich überwiegen.

Die Einwilligung in die ärztliche Zwangsmaßnahme bedarf der Genehmigung des Betreuungsgerichts. Das Gericht prüft also, ob die Voraussetzungen im Einzelfall gegeben sind. Der Betreuer hat außerdem die Einwilligung in die ärztliche Zwangsmaßnahme zu widerrufen, wenn ihre Voraussetzungen wegfallen. Er hat den Widerruf dem Betreuungsgericht anzuzeigen (§ 1906 Absatz 3 a BGB).

Oben Gesagtes gilt nicht nur im Rahmen der Unterbringung in einer Psychiatrie. Es gilt auch für regelmäßige oder über einen längeren Zeitraum andauernde Zwangsmaßnahmen (freiheitsentziehende Maßnahmen) in einem Pflegeheim oder einer sonstigen Einrichtung, zum Beispiel bei medikamentöser Ruhigstellung oder Fixierungen des/der Betreuten an Bett und Rollstuhl.

Dies zeigt, dass eine Zwangsmaßnahme eigentlich nur unter engen Voraussetzungen gegen den natürlichen Willen des Betroffenen möglich sein darf. Es gilt der verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Besondere Bedeutung kommt hierbei auch dem erwähnten Überzeugungsversuch zu. Wie der BGH aktuell entscheiden hat (BGH XII ZB 121/14, Beschluss vom 04. Juni 2014), muss der Überzeugungsversuch ernsthaft, mit dem nötigen Zeitaufwand und ohne Ausübung unzulässigen Drucks vorgenommen werden; er muss durch eine überzeugungsfähige und -bereite Person unternommen worden sein. Dies hat das Gericht in jedem Einzelfall festzustellen und in seiner Entscheidung in nachprüfbarer Weise darzulegen.

Da die gerichtliche Genehmigung der Einwilligung in eine Zwangsbehandlung stets einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff bedeutet, ist dagegen immer das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zulässig, so wie auch gegen den Unterbringungsbeschluss (§ 70 Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 3 FamFG und § 62 Abs. 2 Nr. 1 FamFG).

Patricia Richter
Rechtsanwältin
LL.M. (Maastricht University)

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