Die Kester-Haeusler-Stiftung hat schon in vielen Beiträgen darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, dass sich die Angehörigen einer Person, für die eine Betreuung eingerichtet werden soll, sofort am Verfahren als Beteiligte hinzuziehen lassen. Nun hat die Rechtsprechung einmal mehr deutlich gemacht, dass Angehörigen, die sich nicht frühzeitig beteiligen lassen, keinerlei Beschwerderecht gegen die Entscheidungen im Betreuungsverfahren zusteht. Und dies unabhängig davon, aus welchen Gründen die Beteiligung im ersten Rechtszug unterblieben ist.
Die Beteiligung kann entweder durch einen entsprechenden Antrag bei Gericht erreicht werden. Sie kann aber auch konkludent geschehen, nämlich durch Ladung zu Terminen oder Übersendung von Schriftstücken. Um die Beteiligtenstellung zu erreichen muss also nicht unbedingt ein entsprechender Beschluss des Gerichts vorliegen.
Für die Angehörigen zum Teil schwer verständlich und verwunderlich ist die Tatsache, wie kurz die für die Beteiligung maßgebliche Zeitspanne des ersten Rechtzuges unter Umständen sein kann. Der erste Rechtszug endet mit dem Erlass des Beschlusses durch das Betreuungsgericht. Wenn die Angehörigen nun diesen Beschluss (z. B. die erstmalige Betreuerbestellung) mit der Beschwerde anfechten wollen, kommt es darauf an, ob sie schon vorher dem Verfahren hinzugezogen wurden.
Aber Vorsicht – selbst wenn Angehörige beispielsweise selbst das Betreuungsverfahren für den Betroffenen bei Gericht anregen, bedeutet dies noch nicht, dass diese Angehörigen dann auch als Beteiligte dieses Betreuungsverfahrens angesehen werden. So lange sie im Lauf dieses Verfahrens nicht angehört werden, ihnen keine Schriftstücke übersandt werden und auch kein Beschluss des Gerichts über ihre Beteiligung ergeht, sind sie nicht beteiligt. In der bloßen Anregung einer Betreuung für einen Angehörigen ist also keine (auch keine konkludente) Verfahrensbeteiligung zu sehen. In diesem Fall haben die Angehörigen dann keine Beschwerdebefugnis gegen die Entscheidung, die das Gericht in der Betreuungssache trifft. Es besteht auch keine Möglichkeit, diese Beschwerdebefugnis nachträglich zu erhalten, indem sie sich etwa nachträglich am ersten Rechtszug beteiligen lassen.
In dem vom BGH entschiedenen Fall ging es darum, dass ein Betroffener eine Vorsorgevollmacht erstellt hatte. Die Angehörigen waren der Meinung, dass der Vollmachtgeber zum Zeitpunkt der Vollmachtserteilung aber nicht mehr geschäftsfähig war und strebten deshalb die Einrichtung einer Betreuung für den Betroffenen an. Nachdem das Betreuungsgericht die Stellungnahme der Betreuungsbehörde eingeholt hatte, die die Geschäftsfähigkeit jedoch nicht anzweifelte, wurde vom Gericht entschieden, dass die Vollmacht wirksam und deshalb die Einrichtung einer Betreuung nicht erforderlich sei. Die Angehörigen, die sich in diesem ersten Rechtszug nicht beteiligen ließen, hatten keine Möglichkeit, diesen Beschluss des Gerichts mit der Beschwerde anzugreifen.
BGH, Beschluss vom 20. November 2014 – XII ZB 86/14:
Der im ersten Rechtszug nicht hinzugezogene Angehörige kann durch Einlegung einer Beschwerde gegen die getroffene Betreuungsentscheidung keine Überprüfung der getroffenen Sachentscheidung durch das Beschwerdegericht erzwingen.