Unentgeltliche Zuwendungen eines Erblassers an Dritte können im Erbfall dazu führen, dass ein etwaiger Pflichtteilsanspruch ergänzt werden muss, indem der Wert der Zuwendung dem Vermögen zur Berechnung dieses Anspruchs wieder hinzugerechnet wird. Es soll durch diese Regelung garantiert werden, dass dem Pflichtteilsberechtigten sein Anspruch nicht durch lebzeitige Minderung oder vollständige Veräußerung des Nachlassvermögens faktisch entzogen wird.
Dabei stellt sich allerdings häufig die Frage, mit welchem Wert die Zuwendung anzusetzen ist. Das Gesetz geht beispielsweise im Fall von Grundstücken von dem so genannten Niederstwertprinzip aus: Es gilt grundsätzlich der Wert zur Zeit des Erbfalls; hatte das Grundstück aber zur Zeit der Schenkung einen geringeren Wert, so muss nur dieser angesetzt werden.
Oftmals aber wird das Eigentum an einem Grundstück an Dritte nur unter einem Nutzungsvorbehalt, etwa dem Vorbehalt des Nießbrauchs übertragen. Damit kann der Erblasser sicherstellen, dass er selbst bis zu seinem Tode das Grundstück noch nutzen und auch dessen Gebrauchsvorteile in Anspruch nehmen kann. Er bleibt dann „wirtschaftlicher Eigentümer“ des Grundstücks. Fraglich ist, wie eine derartige Zuwendung zu bewerten ist. Nach ständiger Rechtsprechung wird hier der Wert des Grundstücks zu beiden fraglichen Zeitpunkten- Anfall der Schenkung und Tod der Erbfalls- ermittelt, wobei der Wert des Nutzungsvorbehalts noch nicht abgezogen wird. Nur, wenn der Wert zum Zeitpunkt der Schenkung der niedrigere und damit der maßgebliche ist, wird der Wert des Nutzungsvorbehalts ermittelt und vom Grundstückswert abgezogen.
Soweit es aber nach dem Niederstwertprinzip auf den Grundstückswert zu dem Zeitpunkt ankommt, in dem die Erbschaft angefallen ist, bleibt ein dem Erblasser vorbehaltener Nießbrauch für die Wertermittlung unberücksichtigt, da das Recht zu diesem Zeitpunkt durch den Tod des Nießbrauchberechtigten erloschen und nicht mehr werthaltig ist.
Anders verhält es sich nach einer Entscheidung des OLG Schleswig vom 25.11.2008 (3 U 11/08 = BeckRS 2008, 25346) in dem Fall, dass dem Erblasser nicht ein Nießbrauchsvorbehalt eingeräumt wird, sondern von dem Beschenkten eine Leibrente zu zahlen ist. Es liege dann nämlich im Falle der Grundstücksschenkung eine nur teilweise unentgeltliche Zuwendung, also eine gemischte Schenkung vor. Nur der unentgeltliche Teil der Zuwendung, also der Wert des Grundstücks abzüglich des Wertes der Leibrentenverpflichtung, könne für einen Pflichtteilsergänzungsanspruch in Ansatz gebracht werden. Der Wert dieser Verpflichtung bestimmt sich nach Ansicht des OLG danach, welche abstrakte Lebenserwartung der Erblasser noch hatte, wie lang also die Rente nach abstrakter Prognose noch zu zahlen gewesen wäre.
Tanja Stier
Rechtsanwältin