136. Welchen Inhalt/Sachverhalt hat die Entscheidung des BGH vom 17. März 2003?

Hintergrund der Entscheidung war, dass ein älterer Herr einen Herzinfarkt erlitten hatte und ins Koma fiel. Nach 16 Monaten beantragte der Sohn, der die Betreuung vom Amtsgericht erhalten hatte, das die Ernährung über die PEG-Sonde eingestellt würde. Er begründete diesen Antrag mit einer vorliegenden Patientenverfügung, die sein Vater zwei Jahre zuvor im Rahmen eines Schreibmaschinentextes verfasste. In dieser Patientenverfügung wurde aufgenommen:

„Für den Fall, dass ich zu einer Entscheidung nicht mehr fähig bin, verfüge ich:
Im Falle meiner irreversiblen Bewusstlosigkeit, schwerster Dauerschäden meines Gehirns oder des dauernden Ausfalls lebenswichtiger Funktionen meines Körpers oder im Endstadium einer zum Tode führenden Krankheit, wenn die Behandlung nur noch dazu führen würde, den Vorgang des Sterbens zu verlängern, dass:

– k eine Intensivbehandlung
– die Einstellung der Ernährung
– nur angst- oder schmerzlindernde Maßnahmen, wenn nötig
– keine künstliche Beatmung
– keine Bluttransfusionen
– keine Organstransplantation
– kein Anschluss an die Herz-Lungen-Maschine gewünscht wird.“

Als Vertrauensperson nannte der Vater des Betreuers seine Ehefrau, Sohn und Tochter. Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht legte die Sache gem. § 28 Abs. 2 FGG dem BGH vor.
Der Bundesgerichtshof stellte in dieser Entscheidung einige wichtige Merksätze fest:
Er wies ausdrücklich darauf hin, dass falls ein Betreuer für die Gesundheitsfürsorge verantwortlich ist, nicht der Abbruch der Behandlung entscheidend ist, sondern allein die Entscheidung, ob die Behandlung überhaupt weiter fortgeführt wird.
Der Betreuer ist in diesem Sinne Vertreter des einwilligungsunfähigen Patienten und kann somit, nachdem er letztendlich das Selbstbestimmungsrecht des Patienten ausübt, grundsätzlich die Behandlung ablehnen bzw. auch die Einstellung der Behandlung anordnen. Weitere Voraussetzung für eine derartige Handlungsweise ist, dass überhaupt seitens der Mediziner eine Behandlung angeboten wird.
Meiner Ansicht nach stellte der Bundesgerichtshof klar, dass wenn ein Arzt aufgrund der aussichtslosen Situation eine lebensverlängernde Maßnahme überhaupt nicht mehr anbietet, auch der Betreuer diese Verlängerung der Sterbephase nicht verlangen kann, sondern er hat nur ein Entscheidungsrecht über die anweisende Begleitung im Sterbeprozess.
Zusammenfassend wies also der Bundesgerichtshof darauf hin, dass erst wenn der Arzt die Behandlung eines nicht einwilligungsfähigen Patienten anbietet, der Betreuer gem. § 1901 BGB entscheiden muss. Richtschnur ist der § 1901 Abs. 3 S. 1 und 2 BGB, wonach der erklärte Wunsch des Patienten ausschlaggebend ist bzw. soweit dieser nicht feststellbar ist, der mutmaßliche Wille des Patienten erforscht werden muss. Eine Richtschnur, wie der mutmaßliche Wille zu ergründen ist, hat der BGH nicht leider vorgegeben, obwohl dies längst überfällig gewesen wäre.
Eine wichtige Feststellung hat der Bundesgerichtshof allerdings im Rahmen dieser Entscheidung getroffen, nämlich dass, wenn der Patient eine Patientenverfügung verfasste, die Patientenverfügung für den Betreuer und auch für die behandelnden Ärzte verbindlich ist. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass der BGH nochmals eindeutig die Entscheidung auf den Tatbestand beschränkt hat, dass das Grundleiden einen irreversiblen tödlichen Verlauf nimmt.
Nach dieser Entscheidung des BGH, ist eine solche Vorgehensweise auch trotz Patientenverfügung bei Komapatienten nicht möglich.
Zur Frage der Genehmigung vertritt der Bundesgerichtshof in der genannten Entscheidung meiner Ansicht nach eindeutig die Auffassung, dass auch bei Vorliegen einer Patientenverfügung die Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht eingeholt werden muss. Dies folgt zwar nicht wörtlich aus dem Beschluss des Bundesgerichtshofs, ist aber meiner Ansicht nach herauszulesen.

Der Betreuer muss also trotz Vorliegen einer Patientenverfügung das Genehmigungsverfahren nach § 1904 BGB einleiten. Die Genehmigung ist dann dem Richter zu übertragen (§ 14 Abs. 1 Nr. 4 Rechtspflegergesetz). Der Richter muss sich nach § 69b Abs. 1 FGG einen persönlichen Eindruck von der Situation des Patienten verschaffen, wobei die Praxis davon ausgeht, dass der Richter ein Gutachten durch einen medizinischen Sachverständigen einholen wird (§ 69d Abs. 1 FGG).
Es wird darauf hingewiesen, dass der Beschluss des XII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 17. März 2003 unterschiedlich interpretiert wird. Was letztendlich vielleicht gerade dazu führte, dass der Ruf nach der gesetzlichen Regelung einer Patientenverfügung immer lauter wurde.

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