Die Abgrenzung: Die Patientenverfügung – das Patiententestament

Patientenverfuegung.jpgIn einer Patientenverfügung wird gemäß dem Willen des Patienten für den Fall, dass dieser nicht mehr äußerungs- oder einwilligungsfähig ist, detailliert dokumentiert, welche Behandlungen in Krankheitssituationen durchgeführt oder unterlassen werden sollen. Mit Hilfe der Patientenverfügung kann die verfügende Person Art und Umfang der medizinischen Behandlung mit dem Wunsch zu lebensverlängernden oder lebensverkürzenden Maßnahmen festlegen.  Sie wurde oftmals auch als Patiententestament bezeichnet, da sie den Willen des Verfassers im Falle schwerster und aussichtsloser Erkrankungen in der letzten Phase des Lebens zum Ausdruck bringt.
Es stellt sich jedoch die Frage, welche Rechtsnatur die Patientenverfügung darstellt. Kann die Patientenverfügung als eine Willenserklärung bezeichnet werden oder nicht?
Es wird die Ansicht vertreten, dass die Patientenverfügung als echte Willenserklärung für eine lebensverlängernde oder –verkürzende Maßnahme zu sehen ist.  Damit die Patientenverfügung eingeordnet werden kann, muss man sich zunächst die Dogmatik der Willenserklärung näher betrachten.
Dabei stellt eine Willenserklärung die Willensäußerung einer Person dar, die auf die Herbeiführung einer bestimmten Rechtsfolge gerichtet ist.  Ein Patient möchte mit Hilfe einer Patientenverfügung gerade seinen Willen darüber äußern, wie er in einer lebensbedrohlichen Situation behandelt werden möchte. Durch eine Patientenverfügung möchte der Verfasser die Rechtsfolge für lebensverlängernde oder –verkürzende Maßnahmen umsetzen. Demnach würde die Patientenverfügung eine echte Willenserklärung darstellen.
Jedoch gegen eine echte Willenserklärung spricht, dass gem. § 142 I BGB eine Willenserklärung angefochten werden kann und diese als von Anfang an als nichtig anzusehen ist. Eine Patientenverfügung hingegen kann nicht ex tunc unwirksam werden. Weiter erscheint zu der Dogmatik der Willenserklärung es eher unpassend, dass eine Patientenverfügung jederzeit bindend widerrufen werden kann.  Weitere Aspekte, welche gegen eine echte Willenserklärung sprechen, werden zu einem späteren Zeitpunkt noch näher erläutert. Jedoch kann festgehalten werden, dass die Patientenverfügung, als echte Willenserklärung zu sehen, abzulehnen ist.
Dennoch wäre es auch verfehlt, der Patientenverfügung jeglichen rechtsgeschäftlichen Charakter abzusprechen. Denn besonders in ihrer Grundstruktur ähnelt sie sehr einer Willenserklärung, auch wenn nicht alle Rechtsinstitute der Rechtsgeschäftslehre auf sie anwendbar sind. Wie bereits oben erläutert, hat eine Patientenverfügung eine Willensäußerung zum Inhalt, welche auf eine bestimmte Rechtsfolge gerichtet ist.
Daher vertritt die herrschende Meinung die Ansicht, dass Patientenverfügungen der Struktur von Willenserklärungen sehr ähneln, sie dennoch etwas Eigenes darstellen.  Somit könnte man die Patientenverfügung als ein „rechtsfolgenauslösendes Verhalten sui generis“ bezeichnen. Darunter versteht man, die analoge Anwendung gewisser Aspekte der Willenserklärung auf die Patientenverfügung, nicht jedoch alle strengen Erfordernisse einer echten Willenserklärung.
So hat sich auch der BGH  auf den Rechtsgedanken des § 130 Abs. 2 BGB gestützt, was auf eine rechtsgeschäftliche Betrachtungsweise schließen lässt.  Daher wäre es nicht vertretbar, einer Patientenverfügung den Grundcharakter einer Willenserklärung abzusprechen. Dennoch wurden bereits Aspekte genannt, die eine Bezeichnung als eine echte Willenserklärung nicht zulassen. Um nun eine Patientenverfügung einordnen zu können, bedient man sich der Struktur der Willenserklärung lediglich für gewisse Bereiche.
Folglich sollte in einer Patientenverfügung ein rechtsfolgenauslösendes Verhalten sui generis gesehen werden.

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