Behindertentestament – Sittenwidrigkeit?

Ein Behindertentestament ist nicht allein deshalb sittenwidrig, weil darin keine konkreten Verwaltungsanweisungen an den Testamentsvollstrecker formuliert wurden, aus denen sich ergibt, in welchem Umfang und zu welchen Zwecken der Betroffene Vorteile aus dem Nachlass erhalten soll. (s. BGH, Beschluss v. 24.07.2019, AZ: XII ZB 560/18)

Nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH zum Behindertentestament sind Verfügungen von Todes wegen, in denen Eltern eines behinderten Kindes den Nachlass durch eine kombinierte Anordnung von Vor- und Nacherbschaft verteilen und mit einer Dauertestamentsvollstreckung, die konkrete Verhaltensanweisungen enthält, so gestalten, dass das Kind zwar Vorteile aus dem Nachlassvermögen erhält, der Sozialhilfeträger auf dieses jedoch nicht zugreifen kann, grundsätzlich nicht sittenwidrig. Sie werden vielmehr als Ausdruck der sittlich anzuerkennenden Sorge für das Wohl des Kindes über den Tod der Eltern hinaus angesehen.

Aber auch wenn keine konkreten Verhaltensanweisungen an den Testamentsvollstrecker in der letztwilligen Verfügung enthalten sind, bedeutet dies nicht automatisch, dass das Testament sittenwidrig und damit nichtig ist. Allein die Tatsache, dass dem Erblasser unterstellt wird, er habe durch die Gestaltung des Testaments den gesamten Nachlass nur zugunsten des nicht behinderten Kindes sichern und somit den Zugriff der Sozialhilfeträger auf die Erbteile des behinderten Familienangehörigen verhindern wollen, genügt nicht grundsätzlich. Denn auch in einem solchen Fall kann die Möglichkeit bestehen, dass der behinderte Angehörige im Rahmen einer ordnungsgemäßen Testamentsvollstreckung die Auszahlung von erzielten Erträgen verlangen kann um damit seinen Unterhalt zu bestreiten und ihm deshalb Vorteile aus der Vorerbschaft zufließen. Es kommt auf den Einzelfall an.

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