Einsicht in Pflegedokumentation nach dem Tod des zu Pflegenden, Anspruchsübergang, Verschwiegenheitspflicht

In dem vorliegenden Fall hatte der BGH zu entscheiden, ob die Krankenversicherung einer Heimbewohnerin, die sich bei einem Sturz im Pflegeheim erhebliche Verletzungen zugezogen hatte und an denselben später auch verstarb, das Recht zur Einsicht in die vom Pflegeheim geführten Pflegedokumentationsakten hat.

Der Pflegeheimbewohner hat zu Lebzeiten grundsätzlich einen Anspruch zur Einsicht in seine Pflegeunterlagen. Dies ergibt sich aus Nebenanspruch aus dem Heimvertrag und aus seinem Selbstbestimmungsrecht, da die Inhalte der Pflegedokumentation den Pflegebedürftigen in seiner Privatsphäre betreffen.

Dieser Anspruch geht nach dem Tod des Heimbewohners gem. § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X i.V.m. § 401 Abs. 1 analog, § 412 BGB auf den Sozialversicherungsträger über, wenn das Bestehen von Schadensersatzansprüchen durch ihn geklärt werden soll und die Verschwiegenheitspflicht des Pflegepersonals dem Gläubigerwechsel nicht entgegensteht. Hiervon ist nach weitgehender Meinung in Rechtsprechung und Literatur auszugehen. Es muss nicht eine ausdrückliche zu Lebzeiten abgegebene Einwilligung des Heimbewohners vorliegen, sondern es genügt sein zu vermutendes Einverständnis. Lässt sich eine Willensäußerung des Verstorbenen nicht feststellen muss geprüft werden, ob er die Offenlegung mutmaßlich gebilligt hätte. Diese Entscheidung, ob der Verstorbene seine Einwilligung mutmaßlich gegeben hätte, obliegt dem Geheimnisträger. Es steht ihm dabei aber nur ein Beurteilungsspielraum in der Weise zu, dass er nachvollziehbare Gründe angeben muss aus welchen allgemeinen Gesichtspunkten er sich an die Schweigepflicht gebunden fühlt. Dabei genügt es nicht grundsätzliche Bedenken  anzuführen.

In Fällen,  in denen die Entbindung der Schweigepflicht die Verfolgung von Schadenersatzansprüchen wegen Verletzung  von Betreuungspflichten ermöglichen soll, wird regelmäßig davon auszugehen sein, dass die Einsicht in die Pflegedokumentation durch den Krankenversicherer dem mutmaßlichen Willen des verstorbenen Heimbewohners entspricht.

BGH,  Urt. V. 26.02.2013 – VI ZR 359/11

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