Der „besondere“ Verfahrenspfleger ist für die Reduzierung von freiheitsentziehenden Maßnahmen in Pflegeeinrichtungen ein entscheidender Faktor

Freiheitsentziehende Maßnahmen müssen gerichtlich genehmigt werden. Sie sind nur dann zulässig, solange sie zum Wohl des Betreuten erforderlich sind (s. auch Beitrag „Freiheitsbeschränkende Maßnahmen in Pflegeeinrichtungen können spürbar reduziert werden – mit den richtigen Mitteln“). Verschiedene Initiativen, wie z. B. „Redufix“ oder „Der Werdenfelser Weg“ haben sich zum Ziel gesetzt, die einschneidenden freiheitsentziehenden Maßnahmen zu reduzieren und – wenn möglich – zu vermeiden. Ein besonders wichtiger Bestandteil, dieses Ziel zu erreichen, ist der Einsatz von besonders ausgebildeten und sachkundigen Verfahrenspflegern. Durch sie sollen die Interessen der Betroffenen besser ermittelt und danach auch wirksam zur Geltung gebracht werden.

Denn dies bleibt im generell üblichen „Genehmigungsautomatismus“ meistens auf der Strecke. Die Praxis zeigt, dass der Richter, der im Rahmen des Genehmigungsverfahrens mit sehr begrenztem Zeitbudget den Betroffenen besucht und die persönliche Anhörung durchführt in den meisten Fällen die Fixierung als „notwendiges Übel“ genehmigen wird, da eine Gefahrenabwägung stattfinden muss und Alternativlösungen nicht sofort greifbar sind.
Der besondere Verfahrenspfleger, der im Rahmen verschiedener Initiativen in diesem Zusammenhang eingesetzt wird, hat die Aufgabe, im konkreten Einzelfall zu überprüfen, ob die geplante freiheitsbeschränkende Maßnahme wirklich notwendig ist oder ob die Situation nicht andere, weniger einschneidende Mittel bedingen könnte. Es liegt in der Natur der Sache, dass es von großem Vorteil ist, wenn sich der Verfahrenspfleger in Bezug auf pflegerische Maßnahmen gut auskennt und eigene Berufserfahrung mitbringt. Deshalb werden im Rahmen des „Werdenfelser Weg“ beispielsweise ausgebildete Pflegefachkräfte als Verfahrenspfleger favorisiert. Denn der geübte und erfahrene Umgang mit pflegebedürftigen Menschen ist die unerlässliche Voraussetzung dafür, überhaupt beurteilen zu können, ob und wenn ja, welche Maßnahmen konkret in Betracht zu ziehen sind, immer unter dem Gesichtspunkt, den Betroffenen so schonend wie möglich zu behandeln.
Die Tatsache, dass der besondere Verfahrenspfleger aus dem Berufsfeld „Pflege“ kommt, führt darüber hinaus zu dem positiven Effekt, dass zwischen dem Verfahrenspfleger und dem Pflegepersonal eine Begegnung auf Augenhöhe stattfindet. Oft geht der Anstoß, freiheitsbeschränkende Maßnahmen einzusetzen, vom Pflegepersonal aus. Um dann für alle Beteiligten eine geeignete Lösung zu erarbeiten, ist es von großem praktischen Vorteil, wenn sich der Verfahrenspfleger mit der Tätigkeit und dem Alltag der Pflegefachkräfte auskennt.
In rechtlicher Hinsicht werden die Verfahrenspfleger durch eine oder mehrere Schulungen mit den Besonderheiten des gerichtlichen Genehmigungsverfahrens und den Abwägungsgesichtspunkten vertraut gemacht.
Kritische Stimmen bemerken, dass die Rolle des Verfahrenspflegers grundsätzlich von einem Rechtsanwalt oder anders besonders Rechtskundigen übernommen werden solle, da es immerhin um wesentliche Rechtspositionen des Betroffenen gehe. Dem kann aber entgegnet werden, dass es gerade wenn es um die Anwendung freiheitsentziehender Maßnahmen geht, besonders darauf ankommt, Erfahrung im Umgang mit pflegebedürftigen, oft auch verwirrten und kommunikativ stark eingeschränkten Menschen zu haben um überhaupt den konkreten Sachverhalt richtig einschätzen zu können. Die gebotene Wahrnehmung der Interessen der Betroffenen erfordert in diesen Fällen nicht so sehr die Anwendung spezieller Rechtskenntnisse. Es geht vielmehr darum, die konkrete Situation für den Betroffenen mit allen Einschränkungen und möglichen Gefahren richtig einschätzen zu können und zu wissen, welche Alternativen zum Einsatz gebracht werden können. Im Ergebnis sind solche Personen, die mit der Pflegearbeit, den Pflegebedingungen und den möglichen Alternativen bestens vertraut sind, besonders geeignet, in solchen Fällen als Verfahrenspfleger eingesetzt zu werden. Denn der Einsatz dieser Personen orientiert sich an der Realität und dient den Interessen der Menschen, die den Betreuungsgerichten anvertraut sind.

Susanne Kilisch
Wiss. Mitarbeiterin

Themen
Alle Themen anzeigen