Besondere Sicherungsmaßnahmen nur bei akuter Gefährdung

In einem vom OLG Frankfurt zu entscheidenden Fall ging es um die Frage, ob einer Wohneinrichtung, in der eine psychisch kranke Betreute untergebracht war und die dann einen Suizidversuch durchführte, Pflichtverletzungen vorgeworfen werden können, weil keine besonderen Sicherungsmaßnahmen zum Schutz der Betroffenen ergriffen wurden. Das Gericht verneinte dies, weil es sich dabei um einen Fall handelte, in dem die Betroffene krankheitsbedingt immer wieder ankündigte, sich umbringen zu wollen, um danach sofort immer wieder in eine völlig „normale“ Verhaltensphase zu fallen. Das Gericht befand, dass besondere Sicherungsmaßnahmen gegen Selbstschädigungen psychisch kranker Personen auch bei einer Unterbringung in einer betreuten oder offenen Wohneinrichtung mit Rücksicht auf den Therapiezweck nur dann besteht, wenn ein Fall einer akuten Selbstgefährdung vorliegt. Dies gilt auch dann, wenn der latent suizidgefährdete Heimbewohner am vorherigen Abend äußerte, sich umbringen zu wollen, um sich danach wieder „normal“ zu verhalten.
Wie schon erwähnt, ist vor dem Hintergrund der erheblichen Eingriffe in die Grund- und Freiheitsrechte der Betroffenen, der Einsatz von freiheitsbeschränkenden Maßnahmen in Heimen und Kliniken grundsätzlich mit der gebotenen Zurückhaltung zu praktizieren. Die Art und das Maß dieser Mittel sind immer am Grad der möglichen (erheblichen und akuten) Selbstgefährdung der Betroffenen zu messen. In dem genannten Fall hatte dies zwar schlimme Folgen für die Betroffene – sie versuchte, sich durch Selbstanzündung das Leben zu nehmen und verletzte sich schwer -, trotzdem hat das Gericht festgestellt, dass die Betroffene zwar potentiell gefährdet gewesen sei, jedoch trotz des Verhaltens am Vorabend keine äußerlichen Anzeichen einer akuten Gefahr feststellbar gewesen seien. Es könne nicht sicher gesagt werden, dass ein evtl. herbeigerufener Arzt eine konkrete Gefahr hätte feststellen können. Der Wohneinrichtung wurde keine Pflichtverletzung zur Last gelegt.
OLG Frankfurt, Urteil v. 07.02.2003, AZ: 25 U 30/01
Susanne Kilisch
Wiss. Mitarbeiterin

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